Ich hatte gestern diesen fiktiven Fall aufgeworfen:
Jetzt mal zum realen Fall:
Hier liegt die Sache anders: Veranstalter ist eine öffentliche Einrichtung (Landesärztekammer) und die Vortragenden sind oder waren Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen (Ämter, Kammern, Universitätskliniken) oder werden zumindest im Programm als Vertreter dieser Einrichtungen angekündigt, siehe hier: Programm "Curricularen Fortbildung Impfen" 2019 - FragDenStaat .
Ich habe die Landesärztekammer angefragt, die Vortragsunterlagen zu den Vorträgen herauszugeben. Diese besitzt sie anscheinend, denn sie hat sie den Teilnehmern ausgehändigt. Allerdings weigert sich die Kammer beharrlich, mir die Unterlagen im Rahmen einer Informationszugangsanfrage herauszugeben. Über die Thüringer Datenschutzbeauftragte lässt die Kammer nun ausrichten, dass die Vortragenden allesamt als Privatpersonen aufgetreten seien oder gar, dass sie mit ihrem jeweiligen Dienstherrn vereinbart haben, dass diese Vorträge ihr Privatvergnügen seien.
Ich halte das für vorgeschoben. Die Leute dort halten Vorträge über ihr Arbeitsgebiet und werden im Programm als Vertreter ihrer öffentlichen Dienstherren angekündigt. Es sieht mir also stark danach aus, dass die Leute tatsächlich im Rahmen ihrer Dienstpflicht vorgetragen haben. Wenn es keine weiteren Vereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten gibt, dann sind wohl Urheberrecht und Arbeitsrecht hier eindeutig so auszulegen, dass der Dienstherr automatisch Nutzungsrechte an den Vorträgen erworben hat.
Wenn es tatsächlich eine Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten gibt, vielleicht sogar nur eine nachträgliche, dass der Dienstherr keine Nutzungsrechte übertragen haben willl - was dann? Ich meine, in der Privatwirtschaft wäre das problemlos. Hier aber berührt so eine Vereinbarung ja Dritte, nämlich das öffentliche Interesse ausgedrückt im Thüringer Transparenzgesetz. Das wäre doch ein Vertrag zulasten Dritter. Wenn solche Vereinbarungen gültig wären, dann könnte jede Behörde die Herausgabe von Informationen dadurch verhindern, dass sie mit dem Mitarbeiter vereinbart, dass das kritische Werk nur ein Privatvergnügen des Mitarbeiters gewesen sei.
Oder geht das gar in Richtung Untreue? Ich meine, die öffentlichen Einrichtungen bekommen Steuergelder, um öffentliche Dienstleistungen zu erbringen und dann treffen Mitarbeiter und Vorgesetzte Vereinbarungen, um die Öffentlichkeit von den Ergebnissen der Arbeit auszuschließen.
Ich lese gerade ein wenig Texte im Weltnetz über Urheber- und Arbeitsrecht. Leider behandeln die beim Urheberrecht meistens die Frage, wann Angestellte vergütet werden müssen und wann sie eigene Werke selbst verwerten dürfen. Die Querverbindung zur Informationsfreiheit wird da nicht mitgedacht.
Jetzt aber noch mal ganz anders gedacht: Die Ärztekammer behauptet also, die Vorträge seien nicht im Rahmen der Dienstpflichten der Vortragenden an ihren Einrichtungen entstanden. Wir nehmen das jetzt mal so hin. Käme dann nicht in Betracht, dass die Vortragenden im Auftrag der Landesärztekammer gehandelt haben? Dann wären doch der Landesärztekammer die Nutzungsrechte eingeräumt, die sie braucht, um Transparenzanfragen zu beantworten. Ich meine, die Ärztekammer tritt schon wie ein Verwerter der Vortragswerke auf. Sie organisieren die Veranstaltung, ziehen die Teilnahmegebühren ein und geben dafür die Vortragsunterlagen an die Teilnehmer heraus.
Jetzt also meine Frage in die Runde: Wie seht ihr die Konstellation? Welche Fragen würdet ihr zur Aufklärung des Sachverhaltes stellen? Wie würdet ihr dagegen argumentieren?
Nach alledem: Die Datenschutzbeauftragte ist mal wieder keine Hilfe, gibt nur die Ansicht der Ärztekammer wieder und hat da überhaupt keine Bedenken.