Notes From The Field: Kreisverwaltung Mainz-Bingen

Die nicht ganz so emsige Kreisverwaltung Mainz-Bingen (kurz: Behörde) war schon zu Gast im Forum: (etwa Kreisverwaltung Mainz-Bingen lehnt Anfrage mit unverständlicher Begründung ab).

Meine erste Anfrage an die Behörde wollte sie nur mit persönlicher Einsichtnahme vor Ort gewähren. Nach Widerspruch und diverser Korrespondenz wurde die Auskunft dann telefonisch erteilt und mein Transkript als inhaltlich vollständig und korrekt bestätigt. Immerhin.

Die insgesamt 27 Korrespondenzen dieser Anfrage verursachten 15,80 € Kosten, blieben also weit unter 1000 € und waren somit gebühren- und auslagenfrei.

Woher ich die Kosten kenne? Die Behörde hat mir eine Kostenerhebung gesendet, die mich zu diesem Beitrag motiviert. Doch bevor ich dazu komme, noch kurz, wie es mit der Behörde weiterging.

Spoiler: Eher so semi. Die Behörde ist wenig auskunftsfreudig.

Ab meiner zweiten Anfrage wurden – nicht ohne nerviges Insistieren – meine Anfragen schriftlich beantwortet. Na ja, zumindest teilweise. Die Behörde schwärzt alle Verstöße, deren “Behebung” noch nicht “abgeschlossen” wurde.

Als “Begründung” hierfür lamentiert sie über “Nicht vollständige Informationen, wie zum Beispiel eine zum Zeitpunkt der Informationsherausgabe noch nicht abgeschlossene Behebung von Abweichungen dürfen demnach nicht herausgegeben werden bzw. müssen einer Schwärzung unterzogen werden.

Dass diese Argumentation Schwachsinn ist und im Endeffekt die Vertuschung lebensmittelrechtlicher Verfehlungen zur Folge hat, ist unmittelbar einsichtig.

Beispiel: Nonna Martha, Ingelheim am Rhein

Das soll eine VIG-konforme Auskunft sein? Für mich sieht das eher so aus, als ob die damit befasste Amtsperson Lack gesoffen und dabei versehentlich ein Tintenfass umgeworfen hat. :wink:

Am Anfragergebnis zum Landmetzgerei Schuck kann man übrigens sehr gut beobachten, wie die Behörde Verstöße über Jahre hinweg duldet und damit Ihrer Aufgabe nicht nachkommt. So enthält beispielweise der Kontollbericht vom 16.08.2019 mehrere geschwärzte Mängel, die scheinbar trotz mehrerer nachfolgender Kontrollen bis zum 23.06.2022 noch nicht behoben wurden.

Anders formuliert: Weil ein Betrieb einen Mangel nicht behebt und die Behörde dies duldet, wird er vor Anfragenden versteckt. :face_vomiting:

Auf meine erneute Anfrage per Fax mit expliziter Anforderung ungeschwärtzter Informationen reagierte die Behörde nicht. Auf eine Nachfrage hierzu ebenfalls nicht. Das nenne ich Untätigkeit.

Auch auf meine Bitte um Informationsergänzung der zwischenzeitlich als behoben dokumentierten Verstöße reagierte die Behörde nicht.

Statt dessen versucht die Behörde Antragsteller:innen mit einer Kostenerhebung (Bestandteil der Anfrage Küchenbetrieb der CBS-Caritas im Sebastian-Münster-Gymnasium) einzuschüchtern und von Abfragen abzuhalten. Diese ist so abenteuerlich, dass ich sie hier vollständig zitiere.

Lebensmittelüberwachung
-Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG)
Ihr Anträge nach dem VIG im Zeitraum 21.07.2021 bis 19.05.2022 - Kostenerhebung

Sehr geehrter […],

im Zeitraum 21.07.2021 bis 19.05.2022 haben Sie über das Verbraucherportal „Frag den Staat" - „Topf Secret" Anfragen im Rahmen des Verbraucherinformationsgesetzes {VIG ) an unsere Behörde gestellt.

Hierbei entstanden bisher folgende Kosten:

Aufwendungen für das postalische Versenden (Umschläge/ Briefporto) von Mitteilungen und für die Benutzung von Geräten und sonstigen technisch-apparativen Einrichtungen wurden hierbei bisher nicht berücksichtigt.

Entsprechend § 7 Abs. 1 VIG werden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen der Behörden nach diesem Gesetz vorbehaltlich des Satzes 2 kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben. Der Zugang zu Informationen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ist bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1000 Euro gebühren- und auslagenfrei, der Zugang zu sonstigen Informationen bis zu einem Verwaltungsaufwand von 250 Euro.

Die Ihnen durch unsere Behörde auf Ihre Anfragen hin bereit gestellten Informationen bewegen sich alle im von Ihnen gewünschten Rahmen („Bei den von mir begehrten Informationen handelt es sich um solche nach§ 2 Abs. 1 VIG").

Individuell bedeutet hierbei, dass sich die prinzipiell anfallenden Gebühren personenbezogen summieren, wenn der Antragsteller mehrere Anfragen stellt (im Gegensatz zu einer pauschal zurechenbaren öffentlichen Leistung, bei der die Gebühren jeder einzelnen Anfrage bis zu einer Grenze von 1000 Euro kostenfrei wären).

Dies bedeutet nun, dass Ihr persönliches (individuelles) Limit von 1000 Euro hinsichtlich kostenfreier Anfragen erschöpft bzw. sogar schon um 121,80 € überschritten ist.
Natürlich konnten Sie von einer Überschreitung Ihres Limits nichts wissen, da bisher auch keine Informationen über anfallende Gebühren von uns an Sie ergingen, insofern wird Ihnen der Differenzbetrag über 121,80 € von uns selbstverständlich nicht in Rechnung gestellt.

Allerdings sind wir gezwungen, entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 1 VIG von jetzt an für alle weiteren Leistungen unsererseits, die Sie gegebenenfalls noch in Anspruch nehmen wollen, kostendeckende Gebühren und Auslagen von Ihnen einzufordern.

Diese Gebühren und Auslagen bewegen sich im Rahmen der oben bzw. in Fußnote 2 bereits genannten Landesverordnung über Gebühren der Behörden des öffentlichen Veterinärdienstes […] (UmwMinGebV RP), wonach entsprechend Punkt 1.12 der Anlage schriftliche Auskünfte nach dem jeweiligen Zeitaufwand berechnet werden. Die Gebühren nach Zeitaufwand werden in § 2 Abs. 3 Nr. 1 definiert:

Je angefangene Viertelstunde werden erhoben für Beamte/Beamtinnen und Beschäftigte:

  • des höheren Dienstes: 15,80 EUR,
  • des gehobenen Dienstes: 11,70 EUR,
  • des mittleren Dienstes: 8,71 EUR,
  • des einfachen Dienstes; 7,94 EUR.

Derzeit ist Ihre Anfrage# 249494 bei uns in Bearbeitung, hierzu ergeht Ihnen nun von uns die Information über die voraussichtliche Höhe der Gebühren und Auslagen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 VIG):

  1. Gebühren über 15,80 Euro zzgl. Porto und der Nutzung von Geräten und sonstigen technischapparativen Einrichtungen für den an Sie bereits überstellten Bescheid werden diesmal nicht erhoben, da unsere Gebühreninformation erst nachträglich an Sie erfolgte und Sie damit nicht die Möglichkeit erhielten, vor Auslösung einer gebührenerzeugenden Amtshandlung Ihren Antrag kostenfrei zurückzunehmen.

  2. Die Gebühren bezüglich der eigentlichen Informationserhebung, -bereitstellung und -Übermittlung belaufen sich auf 15,80 € je angefangene Viertelstunde Arbeitsaufwand zzgl. Porto und der Nutzung von Geräten und sonstigen technisch-apparativen Einrichtungen, die entsprechenden voraussichtlichen Gesamtkosten sind dabei nur ungefähr abzuschätzen, werden aber aller Voraussicht nach eine Gebühr von 200,00 Euro übersteigen.

Wir weisen Sie hiermit entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 4 VIG auf die Möglichkeit hin, Ihren Antrag # 249494 zurückzunehmen oder einzuschränken.
Erhalten wir bis zum 15.07.2022 keine entsprechende Antwort von Ihnen, werden wir den Vorgang für Sie gebührenpflichtig fortsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

[…]

Amtstierarzt und Fachtierarzt
für öffentliches Veterinärwesen

1 Landesverordnung über Gebühren der Behörden des öffentlichen Veterinärdienstes, der amtlichen Lebensmittelüberwachung sowie der Gesundheitsverwaltung im Rahmen des Trinkwasserrechts und der Umwelthygiene {Besonderes Gebührenverzeichnis) vom 29. September 2008, Stand 22.07.2010 - § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 (höherer Dienst) i.V.m. Anlage Nr. 1.12 (schriftliche Auskünfte).

Das Schreiben ist auch noch mit Unterstreichungen durchsetzt, die sich hier aber nicht abbilden lassen.

Was an den Gebühren zu einzelnen Anfragen sofort auffällt, ist deren Willkürlichkeit. Zur abenteuerlichen Argumentation, dass mein “perönliches (individuelles) Limit” nach 9 Anfragen – verteilt auf 10 Monate – erschöpft ist, kommt mir vor allem ein Wort in den Sinn: Bullshit (in der Bedeutung von Harry G. Frankfurts gleichnamigem Essay).

Zu der “in Beabeitung” befindlichen Anfrage hat die Behörde übrigens 2 Tage vorher bereits einen kostenfreien Bescheid erteilt. Vom selben Behördenmitarbeitenden. Da weiß wohl die linke Hand nicht, was die rechte tut. In dieser Mainzer Amtsstube wiehert der Amtsschimmel. :horse:

Das gesamte Behördenhandeln stellt sich mir als Ausdruck mangelnden Respekts vor Gesetzten, sowie allgemeiner Arbeits- und Auskunftsscheue dar.

Zu nur 5 Betrieben hat die Behörde “Informationen” geliefert. Bei einem Betrieb wurden keine Mängel festgestellt (damit gab es auch keine Schwärzungen). Bei den anderen 4 Betrieben schwärzte die Behörde teils großzügig und vertuscht damit Mängel der von ihnen überprüften Betriebe.

Meine Bitte an euch Foristinnen und Foristen: Stellt bei dieser dysfunktionalen Behörde massenhaft VIG-Anfragen.

Meine Frage an FragDenStaat: Wären die Kostenerhebung und/oder die Schwärzungen nicht etwas für eine Klage?

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Also grundsätzlich ist es nach dem VIG zulässig, mehrere Anfragen kostentechnisch zusammenzufassen (aber nur, wenn es sich immer um die gleiche Behörde handelt). Es gibt jedoch keine klaren Vorgaben, innerhalb welcher Zeiträume eine solche Zusammenfassung zulässig bzw. angemessen ist.
Dies zu entscheiden liegt entweder beim Gesetzgeber (der daran offensichtlich kein Interesse hat) oder bei den Fachgerichten.
Ich selbst würde sagen, dass für mich das Kalenderjahr angemessen wäre, aber das ist wie gesagt meine eigene Meinung. Ich würde mich im Folgejahr nicht mehr mit Leistungen aus dem Vorjahr “belasten” lassen.

Was die Schwärzungen und die dazugehörige irrwitzige Argumentation angeht, ist es -auch in RLP- nicht anders, als in allen anderen Bundesländern. Diese dürften rechtwidrig sein, aber auch dies wird man nur vor einem Fachgericht klären können.

Das Amt schob noch Geschwurbel nach: “Durch eine weiterhin kostenfreie Beantwortung Ihrer Anfragen wären wir gezwungen, gegen § 7 Absatz 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 VIG zu verstoßen. Dies ist für unsere Behörde eindeutig nicht zulässig.”.

Das nenne ich konsequent quergedacht.

Dann doch lieber Ekelbetriebe decken, ohne gegen ein Bundesgesetz zu verstoßen. :wink: