Behörde gewährt nur Einsicht vor Ort, weil ich zu viele Anfragen gestellt habe

Hallo liebes Forum.

Bei einer meiner Anfragen in Reutlingen wurde mir nur Akteneinsicht im Amt gewährt. Mein darauf eingelegter Widerspruch wurde abgelehnt. Begründet wird die Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Sie haben unter Berufung auf das VIG in dem kurzen Zeitraum von April 2019 bis September 2019 insgesamt bereits 20 Auskünfte zu Restaurants und Lebensmittelbetrieben im Stadtkern Reutlingen beantragt. Auf ein Jahr geschätzt kommen damit auf Sie als Einzelperson ca. 40 Auskunftsansprüche zusammen. Dies kann so nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen und bedeutet für das LRA RT einen massiven Mehraufwand, der Personal bindet, das an anderer wichtiger Stelle fehlt. Aufgrund dieser Vielzahl an Anfragen ist der Arbeitsaufwand für die informationspflichtige Stelle bei einer Informationsherausgabe vor Ort durch Akteneinsicht wesentlich geringer, und dies sogar bei gleicher Informationseignung. Weiter steht zu befürchten, dass Sie auch weiterhin weit überdurchschnittlich häufig derartige Auskunftsanträge in großer Anzahl stellen werden, so dass durch die Akteneinsicht auch zukünftig deutlich weniger Verwaltungsaufwand entstehen wird. Das Aufbereiten, Einscannen und Zusenden der von Ihnen gewünschten Informationen in sehr großem Umfang bleibt dadurch dem LRA RT erspart.

Denkt ihr, das Landratsamt Reutlingen und das Regierungspräsidium Tübingen haben Recht und ich habe einfach zu viele Anfragen gestellt? Ich denke eigentlich nicht dass dem so ist, weil ich nur in Bezug auf Betriebe angefragt habe, die mich tatsächlich interessieren, weil ich dort einkaufe/einkehre. Außerdem habe ich bereits vor der ablehnenden Entscheidung vom 05.11.2019 aufgehört so viele Anfragen zu stellen:

Meine erste Anfrage in Reutlingen stammt vom 6. Februar 2019. Nachdem ich die Entscheidung dazu abgewartet hatte, habe ich dann von Mai an ziemlich genau eine Anfrage pro Woche gestellt (jeden Montag, zwei Mal ausgesetzt). Nach der hier gegenständlichen Anfrage vom 24. September stellte ich noch eine weitere am 30.09. und beendete meine Anfragetätigkeit in Reutlingen damit bis auf Weiteres, weil ich alle mich bis dahin interessierenden Betriebe angefragt hatte. Fünf Wochen später, am 05.11. wurde meine Anfrage dann abgelehnt. Aus der Tatsache, dass ich nach meinen wöchentlichen Anfragen nun für mindestens fünf Wochen keine Anfragen gestellt hatte, hat das LRA also nicht geschlossen, dass von mir „keine Gefahr mehr ausgeht.“ Seither habe ich nur eine weitere Anfrage in Reutlingen gestellt, die ebenfalls faktisch abgelehnt wurde.

Die Hochrechnung des RP Tübingen ist vor diesem Hintergrund völliger Nonsens, weil mich vorerst keine weiteren Betriebe interessieren und ich daher in Zukunft deutlich weniger Anfragen stellen möchte, als in der Anfangsphase, in der gewissermaßen ein Rückstau an Informationen nachzuholen war.

Was sind eure Gedanken dazu? Ich überlege, ob ich mal bei der Behörde anrufe und den Sachverhalt schildere. Mich interessiert natürlich auch, was denn nun die maximale Anfragenzahl pro Jahr ist, also ab wann ich mich wieder trauen kann, eine Anfrage zu stellen :sweat_smile:

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Mein erster Impuls: das liegt in den Sternen. Überlegt man etwas weiter und kombiniert

UND

Wird der Antrag vollständig oder teilweise abgelehnt, ist mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wann die Informationen ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich sind.” (§ 5 Abs. 3 S. 2 VIG)

kommt man zu folgendem Grundgedanken:

  • Wird von der begehrten Form des Informationszugang abgewichen, ist ein Antrag wenigstens teilweise abgelehnt.
  • Dann wäre mitzuteilen wann die Informationen “ganz […] zugänglich sind”.
  • Ist ein Antrag durch Abweichen von der begehrten Form des Informationszugangs abgelehnt, wären Informationen nur dann “ganz” zugänglich, wenn dem Antrag auch im Hinblick auf die Form des Informationszugangs entsprochen würde.
  • Ergo wäre für jeden einzelnen Antrag mitzuteilen, wann ein Informationszugang in der begehrten Form möglich ist.
  • Aliter res widerspräche sich die Behörde selbst, wenn sie darauf jeweils “nie” antworten würde, sofern sie die Abweichung mit einer höheren Antragsfrequenz begründet; denn dann gäbe es kein zeitliches Intervall nach dessen Ablauf man die Informationen in der beantragten Form erhielte. (Mathematisch gesprochen: "Es ist unmöglich durch Null zu teilen" → ZeroDivisionError.)

(Ja, zugegeben: Klingt extrem “hacky”. Aber überzeugt zumindest mich auch nach dem zweiten und dritten Mal Lesen. Wie an dieser Stelle üblich: keine Rechtsberatung, sondern nur allerfeinstes Internetforenherumgeblödel.)

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Deine Argumentation überzeugt mich auch noch nach mehrfachem Lesen. Danke! Jetzt muss sie nur noch das LRA Reutlingen überzeugen :wink:
Ich werde dort anrufen und nachfragen.
Außerdem werde ich dem LRA mitteilen, dass ich in Zukunft wieder nur nach den letzten beiden Kontrollen fragen werde, weil ich bemerkt habe, dass die Frage nach allen Berichten der letzten fünf Jahre oftmals wenig Mehrwert liefert. An dieser umfangreicheren Fragestellung hatte sich die Behörde gestört. Hoffentlich kann diese Kombination die Wogen glätten.

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Nur aus Interesse: was haben sie dazu gesagt?


Tipp am Rande: Bei Telefongesprächen am besten im Nachhinein ein “Gesprächsgedächtnisprotokoll” nachschicken. Ein solches Protokoll kann Indizfunktion haben. Sonst ist es gerade Monate später sehr schwierig sich auf etwas zu berufen, das am Telefon passiert sein soll.

(Keine Rechtsberatung. Nur meine allgemeine Lebenserfahrung mit Behörden.)

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Vielen Dank für deinen Tipp :+1:

Der zuständige Sachbearbeiter war leider nicht zu erreichen; daher habe ich eine Nachricht geschickt. Darin habe ich keine juristischen Ausführungen gemacht, weil ich denke, dass es auch ohne Konfrontation geht.


Edit: Mir wurde geantwortet. Auf meine Frage wurde leider keine belastbare Aussage gegeben, sondern ausweichend entgegnet, es stünde mir “jederzeit frei unser Amt bezüglich stattgefundenen Kontrollen in Betrieben aus dem Landkreis anzufragen. Die Entscheidung über Gewährung von Informationszugang gemäß VIG über Akteneinsicht im Amt bleibt unberührt.”

Ich werde es also einfach ausprobieren müssen. Weil die Behörde jetzt weiß, dass ich sie nicht unnötig nerven will, wird eine weitere Anfrage bestimmt wieder (ganz) erfolgreich sein. Zum oben thematisierten Betrieb frage ich aber besser nicht gleich wieder an :sweat_smile:
Dazu gibt es ja ohnehin die Anfrage von @s.g .

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Zur Terminvereinbarung für die Akteneinsicht dürfen Sie sich gerne spontan wenige Tage … davor Telefonisch oder Mail im Amt melden.

In Notfällen, die nicht telefonisch oder schriftlich geklärt werden können und einen direkten Kontakt zwingend erfordern, ist der Zutritt zum Landratsamt nur mit vorab vereinbarten Terminen möglich.

Bekommt man aufgrund des Coronavirus überhaupt einen Termin? Vielleicht lohnt sich die Nachfrage, ob sich aufgrund dessen die Situation geändert haben könnte?

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Das habe ich mich auch schon gefragt. Aber ich werde es ohnehin erst frühestens in einigen Wochen nach Reutlingen schaffen; allein schon wegen der Ausgangssperre in Bayern. Bis dahin hat sich die Lage sowieso noch mehrfach verändert. Ich frage also erst wenn es so weit ist noch mal nach. Bis ich die Auskunft in Händen halte, wird es also leider noch dauern.
Gut möglich, dass die andere Anfrage früher Erfolg haben wird.

Der Bescheid könnte insoweit teilweise nichtig sein:

ein Verwaltungsakt [ist] nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht”, § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. “Ein Verstoß gegen [die Ausganssperre] kann nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.”, Ziff. 7 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122-98Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.”, § 44 Abs. 4 VwVfG.

Falls nicht, könnte ein Wideraufgreifen des Verfahrens denkbar sein:

Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat”, § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.

(Keine Rechtsberatung. Ist mir nur auf Deinen Hinweis hin als Möglichkeit aufgefallen, die Du prüfen könntest.)

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Hab vielen Dank für diese Argumentation! Damit wird ein von mir geplanter Widerspruch in einem der Ikea-Fälle (Walldorf) definitiv aufgewertet :slightly_smiling_face:
In Reutlingen lasse ich es aber erst mal gut sein, weil ich einerseits Frieden mit der Behörde schaffen will, um bei künftigen Anfragen weniger Steine in den Weg gelegt zu bekommen. (Die Einsicht werde ich aber natürlich trotzdem nehmen und die Informationen hochladen!)
Zum anderen denke ich, dass ich hier ein Stück weit selbst schuld bin, die Einsicht nicht schon vor der Ausgangssperre genommen zu haben; der Bescheid ist ja schon etwas älter.

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Da hier der Bescheid noch nicht unanfechtbar ist, müsste man § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG heranziehen. Viel Erfolg!

(Keine Rechtsberatung, et cetera bla, bla, bla.)

Reutlingen scheint die Akten in der Lebensmittelüberwachung grundsätzlich als reine Papier-/Handakte zu führen. Man kann also verstehen, dass sie in der Situation, in der sie sich befinden, bei einer Vielzahl von Anfragen in einer Akteneinsicht vor Ort weniger Aufwand sehen.

https://fragdenstaat.de/anfrage/elektronische-aktenfuhrung/

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Klasse Idee mit deiner Anfrage zur elektronischen Aktenführung! Man kann sich gar nicht so recht vorstellen, dass im Jahr 2020 noch immer Papierakten verwendet werden :see_no_evil:
Mit diesem Wissen verstehe ich die Ansicht der Reutlinger Behördenmitarbeiter; ich hätte ja auch keine Lust Akten abzutippen. Richtig finde ich den Umgang der Behörde mit meinen letzten Anfragen in Reutlingen aber trotzdem nicht.

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