Sind Straßen/Radwege-Planungen Umweltinformationen?

Moin :slight_smile:

Ich wollte das gerne mal zur Diskussion bringen und eure Einschätzungen hören.

Sind Straßenplanungen/Radwegeplanungen Umweltinformationen nach dem UIG?

Insbesondere meine ich damit die Planunterlagen wie Entwurfplanung/Vorplanung/Ausführungsplanung. Also die Planungen aus den Leistungsphasen der Objekt- und Fachplanung nach HOAI.

Sprich: Karten/Querschnitte etc. Was halt alles zu einer Straßen/Wegeplanung gehört.

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Darauf muss man leider eine etwas “schwammige” Antwort geben:

Ja, viele Aspekte, die den Straßenbau betreffen, lassen sich wahrscheinlich unter die Definition der “Umweltinformation” nach den verschiedenen Umweltinformationsgesetzen (Bund und Länder) fassen.

Aber vermutlich nicht alles.

Es wird wahrscheinlich auch nicht “die Akte” für den Bau einer Straße geben. Der Bau einer Straße ist in Deutschland ein bürokratischer Drahtseilakt, bei dem viele Behörden und Zuständigkeitsbereiche nebeneinander eine Rolle spielen.

Ein “Globalantrag” bezüglich aller Informationen zu einer bestimmten Straße wird vermutlich gleichermaßen Umweltinformationen, Geoinformationen und sonstige amtliche Informationen betreffen. Auch muss man davon ausgehen, dass es bei manchen Straßen nicht die eine Stelle gibt, die alle Informationen übersichtlich in nur einer “Super-Akte” vorliegen hat.

Wiki-Beitrag: Umweltinformationen zum Thema “Straßen/ Fahrradwege”

Man kann sich daher an der Definition der Umweltinformation im Bundes-UIG entlangarbeiten und versuchen passende Beispiele für die Teilaspekte der Definition zu entwickeln. Die Landes-UIG-Definitionen sind aufgrund der europarechtlichen Grundlage vermutlich sehr änlich.

(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über

  1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;
  • Gutachten über die Artenvielfalt in dem Gebiet, in dem die Straße geplant ist.
  • Bodengutachten, z.B. über den Zustand des Grundwassers, etc. …
  • Ergebnisse von Gewässerproben von angrenzenden Gewässern, …
  1. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken;
  • Wie viele Tonnen Asphalt/ Bitumen wurden für den Straßenbau eingesetzt?
  • Woher stammen die eingesetzten Rohstoffe, insbesondere Kies (Länge der Transportwege).
  1. Maßnahmen oder Tätigkeiten, die

a) sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder

b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;

  • Kommunale Leitlinien für den umweltgerechten Straßenbau; gibt es z.B. Regeln über die regionale Beschaffung von Rohstoffen wie z.B. Kies?
  1. Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts;
  • Gutachten, ob die maßgeblichen Artenschutzregeln beim Bau der Straße eingehalten wurden.
  1. Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und
  • Lohnt es sich Flüsterasphalt einzusetzen?
  • Lohnen sich die Kosten einer Lärmschutzwand?
  • Durch die Straße ermöglichte Emissionsreduzierung aufgrund eines kürzeren Weges/ weniger Motorlastwechsel im Verhältnis zu den Kosten.
  • Wie viele Verkehrsteilnehmer würden vom Autoverkehr auf den Radverkehr umsteigen, wenn an dieser Stelle ein Radweg gebaut würde? Lohnt sich die Investition im Verhältnis zum entstehenden Nutzen für die Umwelt?
  1. den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
  • Untersuchungen, wie sich Emissionen der Baustelle (Staub, Bitumen, Teer) et cetera auf die nahe gelegene landwirtschaftliche Flächen auswirken.
  • Untersuchungen zur Fragestellung, wie sich Baulärm/ Emissionen auf die Gesundheit von Baustellenanwohnern auswirken könnte.
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Sofern solche Überlegungen angestellt werden, dürften die im Rahmen der Offenlegung eines Bebauungsplans oder in einem Planfeststellungsverfahren eh schon öffentlich gemacht worden sein …

Hat es eigentlich einen bestimmten Grund, dass du nach dem UIG fragst?
Sollte es nicht möglich sein die Unterlagen mittels IFG anzufragen?
Ich sehe keinen Grund hier speziell zwischen dem IFG und UIG zu unterscheiden.
Oder gibt es bestimmte Vorteile, wenn du das UIG nutzt?
Oder (wahrscheinlicher) in deinem Bundesland gibt es noch kein IFG…

Es gibt bei mir das IFG NRW.

Aber einerseits ist das sicherlich für das IFG-Nomansland auch interessant.

Und in meinem Fall ist hier wichtig: Beim UIG muss die Behörde das öffentliche Interesse abwägen, wenn Sie wegen “Beratungen” ablehnen will.

Das ist deutlich stärker als es das IFG NRW verlangt.

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Ganz konkret frage ich hier im Hinblick auf Querschnitte der Straßen/Wege sowie vor allem Karten zum (geplanten) Verlauf der Baumaßnahme. (Vorentwurf etc.)

Bei Entwürfen wird mir sehr gerne vorgehalten, dass dieser noch “in Abstimmung” bzw. “in Beratung” sei. - vermeintlicher Ausschlussgrund. Wobei ich das eigentlich nach IFG NRW nicht so sehe: Für mich ist das eine Beratungsgrundlage.

Insbesondere sehe ich hier § 2 UIG Abs. 3 Nr. 3 a)

“Maßnahmen oder Tätigkeiten, die
a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken”

Wobei die fraglichen Umweltbestandteile hier “Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume” sind.

Luft und Atmosphäre = Bei Radwegen werden voraussichtlich Emissionen vermindert. Bei Straßenbau vermehrt.

Wasser und Boden = Boden sollte klar sein. Wege verlaufen und verändern den Boden. Wasser je nach Umstand. Aber in der Regel durch Versiegelung der Fläche immer gegeben?!

Landschaft und natürliche Lebensräume = Solange nicht ein Parkplatz überbaut wird sollte das gegeben sein?

Was meint ihr?

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Aus Interesse: welche ist das?

Das ist mir ja total neu, dass es da eine EU-Verordnung oder -Richtlinie gibt. Zumindest steht das auf FragDenStaat nirgendswo…

:face_with_monocle:

Hier geht es um die Umweltinformationsrichtlinie. Ein paar mehr Infos gibt es hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Umweltinformationsgesetz

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Ich will hier mal die neue Entscheidung zum UIG vom 8.3.2021 dokumentieren. Das UIG NRW gilt laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 20 K 4735/19 zwar in der Regel nicht bei privaten Bauvorhaben (außer es sind z.B. Umweltgutachten/Artenschutzgutachten zu erstellen - für mindestens diese Gutachten dann schon!).

ABER laut VG Gelsenkirchen in der Regel eben schon für Großvorhaben und Straßen bzw. hier zumindest für deren Baugenehmigungen. Man kann aber davon ausgehen, dass dann auch Vorplanungen entsprechend betroffen sind.

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_gelsenkirchen/j2021/20_K_4735_19_Urteil_20210308.html

Die Erteilung von Baugenehmigungen nach dem Bauordnungsrecht ist danach grundsätzlich keine Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a) UIG. Denn das Bauordnungsrecht dient nicht spezifisch dem Umweltschutz, sondern allgemein der Sicherheit und Ordnung (vgl. § 3 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen [Landesbauordnung 2018 – BauO NRW 2018]). Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Damit können im Einzelfall auch umweltrechtliche Anforderungen zu beachten sein, hier etwa bezüglich der Entwässerungssituation des betreffenden Grundstücks mitunter auch Vorschriften des Wasserrechts. Gleichwohl ergeht die Baugenehmigung als solche nicht auf der Grundlage spezifischen Umweltrechts. Mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist daher für einen Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt in Bezug auf Bauvorhaben mindestens zu verlangen, dass zum Beispiel aufgrund der Art des Vorhabens oder aufgrund seiner Lage in einem sensiblen Bereich konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass das Bauvorhaben über der Geringfügigkeitsgrenze liegende Auswirkungen auf immissionsschutzrechtliche, naturschutzrechtliche, bodenrechtliche oder wasserrechtliche Belange etc. haben kann und deshalb entsprechende Umweltinformationen in den diesbezüglichen Genehmigungsunterlagen enthalten sind.

64
Vgl. in dieser Deutlichkeit BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 – 22 CE 07.2187 –, juris Rn. 2.

65
Dies dürfte in der Regel anzunehmen sein bei (Groß-) Baumaßnahmen, wie etwa Straßen- oder Flughafenausbaumaßnahmen oder die Erweiterung von Häfen, die typischerweise mit einer Beeinträchtigung von Umweltweltbestandteilen einhergehen.

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Vgl. etwa Fluck/Theuer, in: Fluck/Fischer/Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht, Bd. 1, Stand: Juni 2020, § 2 UIG Rn. 321; Schomerus, in: Schomerus/Schrader/Wegener (Hrsg.), Umweltinformationsgesetz, 2. Aufl. 2002, § 3 Rn. 133; vgl. ferner abermals OVG, Beschluss vom 13. März 2019 – 15 A 769/18 –, juris Rn. 26 (Tierhaltungsanlage).

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Auch dann, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung als unselbständiger Teil im Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist,

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vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschluss vom 24. April 2019 – 2 A 1906/18 –, juris Rn. 7 ff.; siehe allgemein auch Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus (Hrsg.), BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 6. Edition (Stand: 1. November 2020), § 74 Rn. 47,

69
ist die Baugenehmigung als Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a) UIG anzusehen.