Wenn es um VIG-Anfragen geht, mangelt es in Niedersachsen nicht an renitenten Behörden. Ob Anforderung von Ausweiskopien oder schlicht Untätigkeit … die Liste mit Strategien zur Verweigerung von Auskünften ist lang. Der Landkreis Celle hat dem noch eine weitere Spielart hinzugefügt.
Das zuständige Amt für Veterinärangelegenheiten und Verbraucherschutz Celle (kurz: die Behörde) stellt stark geschwärzte Kontrollberichte zur Verfügung. Stark beschreibt dabei keine gelegentlich über die Kontrollberichte verteilten Zensurbalken, die ein Autokennzeichen, ein:e Behördenmitarbeiter:in oder eine E-Mail-Addresse unkenntlich machen. Stark bedeutet massive Schwärzungen, die teilweise mehr als 50% eines Kontollberichtes vor Anfragenden verstecken.
Dabei behauptete die Behörde mantraartig, dass ausschließlich Bereiche geschwärzt wurden, die angeblich nicht auskunftsrelevant seien.
Beispiel: Kontrollbericht zu Fleischerei Detlef Fischer
Als VIG-Anfrage-Pro vermutete ich sogleich, dass das Unfug ist und die Behörde mich frech belügt. Das hat sich dann auch bestätigt. Deshalb dieser Erlebnisbericht.
Nachfolgend gehe ich nicht detailliert auf den Anfrageverlauf ein, sondern beschränke mich auf wichtige Wegpunkte der umfangreichen Korrespondenz. Ihr habt vermutlich weder Lust noch Zeit, hunderte Dokumentenseiten zu durchforsten und ich möchte meinen Bericht halbwegs übersichtlich halten. Wer mag, kann alle Dokumente bei FdS einsehen.
Die folgende Abbildung zeigt links die geschwärzte, rechts die von Schwärzungen befreite Seite 12 des Kontrollberichtes vom 13.07.2021.
Die linke Seite scheint Informationen zu enthalten, deren Veröffenlichung den Fortbestand der Republik gefährdet.
Was aus dem Vergleich hervorgeht: Die Aussagen der Behörde zu den geschwärzten Bereichen entsprach nicht den Tatsachen. Da zu jedem urprünglich geschwärzten Mangel neben der Bechreibung eine Beseitigungsanordnung, eine Rechtgrundlage und eine Fristsetzung gehören, ist das unmittelbar einsichtig.
Deutlicher formuliert: Die Behörde hat mich tatsächlich belogen. Doch es wird noch besser.
Weil diverse Nachfragen zu geschwärzten Mängeln ergebnislos blieben, habe ich im Zusammenhang mit einer anderen Anfrage einen Widerspruch formuliert, der folgende Passage enthält:
Die von Ihnen geschwärzten Teile der Kontrollberichte enthalten Informationen, welche unter den Anwendungsbereich § 1 VIG fallen.
Ihre Behauptung, dass geschwärzte Verstöße keine lebensmittelrechliche Relevanz haben und das Vorhandensein von Schwärzungen widersprechen sich.
Wie Sie ausführen, sind ungeschwärzte und geschwärzte Bereiche identisch aufgebaut:
- Beschreibung des Mangels
- Anordnung zur Beseitigung des Mangels
- Rechtsgrundlage
- Fristsetzung zur Beseitigung des Mangels
Jeder Punkt für sich belegt, dass die von Ihnen geschwärzten Teile sehr wohl anfragerelevante Mängel betreffen. Warum? Wenn die von Ihnen geschwärzten Teile keine Lebensmittelhygiene beträfen, wären sie kein Bestandteil des Berichtes. Damit fallen sie automatisch in den in §1 VIG definierten Anwendungsbereich.
Beispiele für tatsächlich nicht VIG-relevante “Mängel” wären:
Haaransatz von Mitarbeiterin X ist schlecht gefärbt.
Mitarbeiter Y hat eine Tätowierung auf dem Oberarm.
Wandfarbe der Personalumkleide gefällt der Prüferin nicht.
Für keinen dieser “Mängel” könnte Ihre Behörde einen Verstoß dokumentieren und die Beseitigung anordnen: Es fehlt insbesondere eine entsprechende Rechtsgrundlage. Schon deshalb sind in Ihren Berichten auch keine “Mängel” oder “Verstöße” enthalten, die nicht VIG-relevant sind. Das betrifft auch die von Ihnen geschwärzten Verstöße.
Der hier zum Vergleich herangezogene, ungeschwärzte Kontrollbericht ist ein indirektes Ergebnis dieses Widerspruches.
Wenn ihr bis hierher durchgehalten habt: Gratulation – denn jetzt wird es richtig obskur.
Weil mir bekannt ist, dass das Niedersächsische Landesamt für "Verbraucher"schutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) ebenfalls lebensmittelrelevante Untersuchungen durchführt, habe ich auch dort eine VIG-Anfrage gestellt. Ergebnis: Das LAVES fühlt sich nicht zuständig und verweist auf die Behörde. Also wurden noch einmal explizit Berichte des LAVES zu Produktkontrollen bei der Behörde angefordert.
Als Antwort kam postwendend eine Nachfrage, was ich unter Produkten verstünde, denn
Seitens des LAVES wurden keine lebensmittelrechtlichen Kontrollen zu Produkten im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Celle durchgeführt. [Anm. d. Verf.: Hervorhebung im Behördenschreiben]
Diesem Satz entnehme ich folgende Informationen:
- es gab Kontrollen des LAVES (nur halt nicht zu Produkten)
- diese Kontrollen ergaben VIG-relevante Informationen (nur eben nicht zu Produkten), ansonsten hätte die Behörde eine entsprechende Negativauskunft erteilt
- bereits mit der Beantwortung der ursprünglichen Anfrage wurden VIG-relevante Informationen unterschlagen (was bereits oben festgestellt wurde)
Deutlicher kann eine Täuschungsabsicht kaum formuliert werden.
Auf die Auskunft zu den LAVES-Kontrollen warte ich noch. Aber Seite 14 des befreiten Kontrollberichtes liefert bereits einen Hinweis auf das zu erwartende Ergebnis. Und der hat es in sich.
Im Rahmen der Kontrolle wurde eine am 30.03.2021 entnommene und in Bezug auf die Kennzeichnung vom LAVES beanstandete Probe (hausmacher Rotwurst) besprochen. Auf den zum Zeitpunkt der Kontrolle im Betrieb befindlichen 200g Dosen mit Rotwurst waren zumindest die Allergene Senf und Sellerie gekennzeichnet.
Wie bitte? Beanstandete Allergenkennzeichnung? Zumindest? Weder lebensmittel- noch VIG-relevant? Kein Produkt? In welchem Paralleluniversum mag das wohl zutreffen?
Ein weiteres ursprünglich geschwärztes, angeblich nicht auskunftsrelevantes Beispiel von vielen (aus dem Kontrollbericht vom 28.08.2017):
Es wurden vorverpackte Lebensmittel (Rot - und Weißfleisch) ohne die für dieses Lebensmittel verpflichtende Angabe des Datums des Einfrierens bzw. des Datums des ersten Einfrierens vorrätig gehalten.
Des Weiteren sollte stets das Schlacht- oder Herstellungsdatum (resp. Chargen- oder Losnummer) auf den Verpackungen angegeben werden, damit eine einwandfreie Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden kann. Zusätzlich die Angabe des MHD´s.
Das Datum des Einfrierens bzw. das Datum des ersten Einfrierens gemäß Anhang III Nummer 6 ist wie folgt angegeben:
a) Dem Datum muss der Wortlaut “eingefroren am …” vorangehen.
b) Dem in Buchstabe a genannten Wortlaut ist Folgendes hinzuzufügen:
- entweder das Datum selbst oder
- ein Hinweis darauf, wo das Datum in der Kennzeichnung zu finden ist.
c) Das Datum muss aus der unverschlüsselten Angabe von Tag, Monat und Jahr in dieser Reihenfolge bestehen.
Ausweichende Antworten, Herumlavieren, … da sehe ich keine Möglichkeit mehr für ein Versehen. Das stellt sich mir als aktiver Vertuschungsversuch der Behörde dar.
Eventuell hat sich im Landkreis Celle eine zu große Nähe zwischen Überprüften und Überprüfenden etabliert.
VIG-Anfragen in Niedersachsen ergänze ich nun stets wie folgt:
Meine Anfrage umfasst auch alle Ihnen bekannten Kontroll- bzw. Untersuchungsergebnisse anderer Behörden/Labore. Ein Beispiel hierfür ist das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).
Bonus: Die Behörde übersendet geschwärzte Kontrollberichte überkompliziert in elektronischer Form, ungeschwärzt per förmlicher Zustellung in Papierform.