Hallo Community,
Idee und Aufruf
einem Vorschlag von @LanMarc77 folgend eröffne ich hiermit einen Thread zum Thema Gebühren. Anlass dazu war ein Thread zum Thema [§ 80 II Nr. 1 VwGO (Pflicht zur umgehenden Zahlung von IFG-Gebühren / keine aufschiebende Wirkung - §80 VwGO (2) Satz 1, aufschiebende Wirkung - #5 von alvaro.zoder)], der mehrere weitergehende Fragen zum Thema Gebühren aufgeworfen hat.
Im Zuge meiner recht ausgiebigen Recherchen zum Thema Gebühren sind immer weitere Fragen (und vielleicht ein paar Antworten) aufgetaucht, zu denen ich bei Bedarf - d.h. bei Aufklärungsbedarf rund um das Thema Gebühren - das Eine oder Andere (dann hoffentlich etwas spontaner;)) sagen kann. Um diesen Thread hier nicht gleich zu überfrachten, werde ich mich im Folgenden allerdings erstmal darauf beschränken, die Fragen zu beantworten - in der Reihenfolge, wie ich sie in dem Ausgansthread (s.o.) vorstrukturiert hatte. Anschließend werde ich noch ein paar weitere Punkte erörtern, die mir in diesem Zusammenhang erwähnenswert erscheinen. Meine Anregung an alle User, die das Thema interessiert und die Fragen dazu haben, ist, diese Fragen dann in diesem Thread hier zu formulieren. Ich habe zum Einen selbst ein großes Interesse daran, das Thema “Gebühren / Handhabung durch Bund und Länder / Stellschrauben für Gesetzesänderungen” umfassend auszuleuchten - zum Anderen interessiert mich gerade wegen des letztgenannten Punktes auch, wie sich die Erhebung von Gebühren in der Nutzerpraxis auswirkt. Das heißt: Mich interessieren insbesondere Eure Erfahrungen mit der Gebührenpraxis von Behörden.
Die folgenden Ausführungen orientieren sich zunächst am Bundes-IFG und den dazu gehörenden Vorschriften (etwa IFG-Gebührenverordnung) sowie der Behörden- und Rechtsprechungspraxis auf dem Gebiet des IFG-Gebührenrechts. Mein neuer Appell (14.03.) an Euch: Berichtet mir gerne über Eure Erfahrungen mit der Behördenpraxis der Länder. [Den ersten Anknüpfungspunkt soll eine Anfrage / ein Thread aus Baden-Württemberg (Stuttgart) bilden: Defekte Lüftungsanlage an Ihrer Schule: Anschaffung/Reparatur/Ersatz // Stuttgart und die Gebühren für IFG-Anfragen - ihr werdet also zunächst im dann neuesten Beitrag weiter unten die ersten länderspezifischen Ausführungen rechtlicher und taktischer Natur finden.]
Erste vorformulierte Fragen zum Thema Gebühren
Nun aber zu den Fragen, die sich um das Thema - ich etikettiere dies nun möglichst breit - [“Kostenvoranschlag” / Möglichkeit eines insofern bedingten Antrags / taktisches Vorgehen beim Formulieren einer Anfrage].
Folgendermaßen hatte ich sie im anderen Thread vorstrukturiert:
- Inwiefern kann man die Beantwortung der eigenen Anfrage davon abhängig machen, dass die Behörde dem Antragsteller vorab einen “Kostenvoranschlag” zuschickt - den dieser dann absegnen muss?
a) Inwiefern ist die Behörde verpflichtet, diesem “bedingt gestellten Informationsantrag” Rechnung zu tragen?
b) Sofern sie nicht gehalten wäre, einen solchen “Kostenvoranschlag” zu machen (etwa weil sie darauf abstellt, dass sich das noch nicht abschätzen lässt) - inwiefern ist der Antragsteller dann zumindest auf der sicheren Seite, wenn er die Bedingung ausdrücklich artikuliert? Das heißt: Kann er dann wenigstens sicher sein, dass die Behörde nicht aktiv wird, um ihm anschließend eine (hohe) Summe in Rechnung zu stellen?
[die Frage unter Nr. 2 habe ich in dem anderen Thread beantwortet]
Ich will es vorwegnehmen: Es kann auf jeden Fall verhindert werden, dass - insofern beantworte ich nun einen Teil von b) - die Verwaltung auf den Antrag hin tätig wird und eine Gebührenschuld entsteht, wenn der Bürger in seinem Antrag schon darauf hinweist, vorab über die Kosten informiert werden zu wollen - nicht ohne Grund gibt es ja bei FdS den dahingehenden Formulierungsvorschlag.
Kostenvoranschlag
Allgemeines
Was nun die Frage nach dem (Recht auf einen) “Kostenvoranschlag” angeht: Es gibt im IFG leider nicht wie in § 7 I 3 VIG eine Norm, die es der Behörde zur Pflicht macht, im Falle einer in der Zukunft entstehenden Gebührenschuld den Antragssteller vorab über die voraussichtlichen Gebühren zu informieren. Vielmehr bestimmt sich das Maß dessen, was die Behörde vorab in punkto Kostenabschätzung für den Bürger leisten muss/soll (“soll ich den Antrag nun in die Welt schicken oder ist es mir aus Kostengründen zu riskant?”), nach dem allgemein für Verwaltungsverfahren aller Art geltenden § 25 VwVfG: Danach (wohl insbesondere § 25 I 2) ist die Behörde im Rahmen - d.h. auch und für die Zwecke dieser [IFG-Gebühren - Fragen] insbesondere im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens - gehalten, dem Antragssteller beratend zur Seite zu stehen. Vor dem Hintergrund des Zwecks von Informationsfreiheitsanfragen und den gebührenrechtlichen Modifikationen allgemeiner verwaltungsverfahrenskostenrechtlicher Grundsätze im IFG-Gebührenrecht soll bzw. muss diese Beratung eine ausgewogene Entscheidung des Antragsstellers darüber ermöglichen, ob er das Kostenrisiko eingehen will.
Praxis der Behörden bez. vorherige Kostenschätzung
Doch in der Tat unterscheidet sich die Praxis der Behörden in diesem Punkt: Manche Behörden nutzen den verbleibenden Spielraum - vielleicht, um einer Antragsflut entgegenzuwirken, vielleicht, weil sie den (dann tatsächlich nicht vom Bürger zu erstattenden) Arbeitsaufwand scheuen -, um möglichst wenig in punkto “Kostenvoranschlag” zu informieren. Das BMI etwa sieht sich dazu nicht in der Pflicht (BMI, Anwendungshinweise zum IFG, GMBl 2005, 1346 (1350) sub III. 9. g - habe ich aus einem Kommentar, möglicherweise gibt es aber noch aktuellere Anwendungshinweise des BMI).
Andererseits gibt es - ich habe mir selbst einige Anträge und auch Stellungnahmen der BfDIen zu diesem Thema (Bund und Hamburg) durchgelesen - viele Behörden, die hier “kostenvoranschlagsfreundlicher”, jedenfalls beratungsfreundlicher mit der Sache umgehen.
An dieser Stelle eine Empfehlung aus der “IFG - Broschüre” des BfDI (hier zu finden: Internetauftritt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit - Informationsmaterial - Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - Text und Erläuterung (Info 2) - Punkt 4.3):
Empfehlung des Beauftragten für Informationsfreiheit
“Es ist empfehlenswert, vorab um die Mitteilung der voraussichtlichen Kosten zu bitten. Die Verwaltungsbehörde muss die Antragstellenden bezüglich der eventuell entstehenden Kosten beraten. So kann es beispielsweise günstiger sein, Akteneinsicht zu nehmen, als eine schriftliche Auskunftserteilung zu beantragen.” (eigene Hervorhebung)
Ihr seht: Es mag zwar keine grundsätzliche Pflicht zu einer detallierten Aufschlüsselung der zu entstehenden Kosten im Vorfeld geben (also keine Pflicht zu einem richtiggehenden Kostenvoranschlag wie vor einer Reparatur) - diese Pflicht soll es nur in Ausnahmefällen geben, wenn die Kosten (der Verwaltungsaufwand) voraussichtlich besonders hoch ausfallen werden (Beispielhaft für ein Landes-IFG, wo diese Ausnahme ausdrücklich im Gesetz normiert ist: § 10 II LIFG BW - dort für den Fall, dass die Kosten voraussichtlich 200 Euro übersteigen) - aber: Es besteht eine Beratungspflicht im Hinblick auf die Kosten. Wenn der Bürger darum bittet, muss die Behörde zu seinem Anliegen in punkto “Kostenabschätzung” Stellung nehmen - und ist danach gleichzeitig verpflichtet, auf das finale “OK” des Bürgers zu warten, bevor sie mit der Bearbeitung des Antrags loslegt.
Ich würde sagen, dass es an dieser Stelle - d.h., nachdem man insofern eine erste Antwort der Behörde erhalten hat - dann durchaus Sinn machen kann, in einem ersten Schritt einen konstruktiven Dialog (oft besser als Konfrontation, zumal vor dem Hintergrund, dass durchaus die Gefahr droht, dass manche Behörden sonst FdS als ein Sammelbecken für Querulanten wahrnehmen, das täte der Sache der Informationsfreiheit gar nicht gut) zu treten und dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin der Behörde das eigene “Kostendilemma” vor Augen zu führen. In Behörden sitzen oft kluge und des Öfteren auch grundsätzlich demokratisch gesinnte und bürgerorientierte Beamte und Beschäftigte - an diesen guten Willen sollte man also in jeder Hinsicht anknüpfen.
Zusammenfassung und “Taktisches” - bezogen auf Kostenvoranschlag und allgemein auf das Ziel, Gebühren niedrig zu halten
Für das Thema “Kostenvoranschlag” heißt das: Schon in der Anfrage würde ich vorab das eigene Informationsinteresse etwas detaillierter schildern als es die meisten User wohl (so legen es meine IFG-Anfragen - Lektüren nahe) zu tun pflegen. Denn: Zum Einen tritt man so nicht in Konfrontation, sondern in einen Dialog, zum Anderen spielt es auch bei der Bemessung der Gebühren eine Rolle: Die Behörde hat nämlich ein Gebührenfestsetzungsermessen, das durch die Rahmenvorgaben der IFGGebVO begrenzt ist (30 bis 500 Euro), und bei dessen Ausübung - und hier gibt es leider zu wenig Vorgaben, nur den recht schwammigen § 10 Abs. 2 IFG - dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass ein Informationszugang grundsätzlich ermöglicht werden soll (leider verwischt das “Sollen” das “Müssen”). Innerhalb dieses Ermessens bleibt also eine Menge Spielraum “nach unten” - d.h. dahin, auf eine bürger- und informationsfreundliche Gebührenbemessung hinzuwirken.
Ich würde insofern konkret Folgendes mit auf den Weg geben:
Soweit das eigene Informationsinteresse nicht nur das eigene ist, sondern auch als Informationsbegehren mit demokratieförderndem Potential gelten kann, sollte man das - und das muss nicht extensiv sein - darstellen, ein paar knappe Sätze sollten ausreichen. Damit wird man dem Leser der Anfrage - schon vorab - zeigen, dass man gerade im Sinne (vieler) anderer Bürger Informationen anfragt - was für die Frage des Gebührenermessens sehr relevant sein kann. Er/sie wird dann - im besten Fall wohlgesinnt - schon beim “Kostenvoranschlag” (bzw. -soweit die Behörde einen solchen nicht erstellen mag - bei der Beratung im Vorfeld nach Maßgabe von § 25 VwVfG) einen möglicherweise geringeren Betrag ansetzen.
zunächst letzter Punkt: Einfache Auskunft
In diesem Kontext ist noch eine weitere Sache wichtig - und dann will ich diese Eröffnung des Threads auch langsam zum Ende kommen lassen: Man sollte natürlich auch - und so ist der Textbaustein von FdS ja auch gedacht - darauf hinwirken, dass die Beantwortung des IFG-Antrags als "einfache Auskunft" betrachtet wird.
Formulierungsvorschlag FdS, soweit ich sehen konnte:
<… Meines Erachtens handelt es sich um eine einfache Auskunft. Gebühren fallen somit nach § 10 IFG bzw. den anderen Vorschriften nicht an.>
(Ich würde vielleicht noch für bestimmte Fälle leichte Modifikationen des Textbausteins vorschlagen, aber bevor ich das mal mit jemand anderem aus dem Team thematisiere, will ich mich erstmal weiter austauschen über dieses Thema und die Erfahrungen anderer User kennenlernen).
In diesem Zusammenhang wichtig: Es gibt - selbst der HmbBfDI, in einer im Übrigen guten Antwort auf die Anfrage eines Bürgers (Gebühren für Anfragen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz), hatte das allerdings nicht auf dem Schirm - jedenfalls bei der Anwendung des Bundes-IFG eine Konkretisierung des *unbestimmten Rechtsbegriffs “einfache Auskunft” (§ 10 I 2 IFG) : Von einer solchen ist laut der ressortübergreifenden “Handreichung Gebührenbemessung” in der Regel bei einem Verwaltungsaufwand von weniger als 30 Minuten auszugehen (https://fragdenstaat.de/anfrage/ifg-gebuhrenbemessung-4/405113/anhang/Gebhrenbemessung.pdf / IFG Gebührenbemessung).
Das heißt: Wo man davon ausgeht, dass zur Ermittlung und Übersendung der Informationen nicht mehr als 30 Minuten nötig sind, könnte es durchaus Sinn machen, auf diese 30-Minuten - Regel hinzuweisen. Hier bietet es sich - je nach Kontext - möglicherweise auch an, die Behörde dezent darauf hinzuweisen, dass (ohne dies zu explizit zu machen) bei ordnungsgemäßer Aktenführung etc. das Ganze recht einfach, vielleicht sogar “per Knopfdruck” übermittelbar sein sollte.
(Einziges Problem ist leider, dass unter den grds. zu erstattenden Verwaltungsaufwand auch diejenige Zeit fällt, die anfällt, um zu prüfen, ob Ausschlussgründe greifen, d. h. etwa, ob ein spezifisches Dokument gar nicht oder nur in geschwärzter Form übermittelbar ist).
Ich hoffe, ich habe mit diesen Zeilen erstmal eine Orientierung in punkto [Kostenvoranschlag und Co.] geben können und bin gespannt auf Dein (@LanMarc77) und Euer (aller gebührentechnisch interessierten User) Feedback.
Beste Grüße,
Álvaro
PS: Ich habe diesen Beitrag am 17.2. nochmal kurz überarbeitet; ein paar wenige Dinge gekürzt und mehr fett bzw. kursiv hervorgehoben, um eine schnelle Orientierung im Text zu ermöglichen.
PPS: Erneute Überarbeitung und Verbesserung der Struktur (neue Zwischenüberschriften) am 14.3.2021.
Eine länderspezifische Auseinandersetzung mit dem Thema Gebühren soll nun am Ende dieses Threads folgen.