560 Euro gespart: Gebührenbefreiung wegen sozialer Härte - § 2 VerwGebO IFG NRW - ähnliche Erfahrungen?

Guten Abend zusammen an die Gebührenfüchs:innen hier,

ich habe neulich in einer Anfrage eine coole Erfahrung gemacht: Nach einigem hin und her mit der Behörde über die Höhe der Gebühren und Einschränkungen der Anfrage meinerseits habe ich beiläufig noch § 2 VerwGebO IFG NRW in Stellung gebracht und gesagt, dass ich Bafög-berechtigt bin und deswegen keine Gebühren zahlen möchte. Die Behörde, die zuvor - nach einer deutlichen Einschränkung meiner Anfrage! - eine Gebühr von immerhin noch 560 Euro haben wollte, hat daraufhin einen Nachweis verlangt und mir jetzt zugesagt, die Information gebührenfrei bereitzustellen. Überraschende Wendung, nachdem sie sich ziemlich lang quergestellt hatte!

Jetzt meine Frage an euch: Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht und weiß, wie oft und bei welchen Behörden so etwas schon funktioniert hat?

Ich habe ein bisschen rumgesucht und einen Fall gefunden (auch NRW), indem ebenfalls so argumentiert wurde (bzw. mit Hartz IV und den darin veranschlagten 1,58 Euro für Bildung (wobei ich mir nicht sicher bin, ob man sagen kann, dass ein solches Gutachten der Bildung dient, sollte aber egal sein, weil der Hartz IV Satz einfach insgesamt eine soziale Härte ist…), aber ein Ergebnis noch aussteht; und einen anderen Fall, in dem auch eine Gebührenbefreiung vorgenommen wurde, aber das Beispiel ist sehr individuell und lässt sich wohl kaum übertragen.

Im Template von FDS wird ja automatisch bei Anfragen nach dem IFG NRW auf § 2 VerwGebO IFG NRW verwiesen, allerdings ist die Begründung (“Auskunft in gemeinnütziger Art der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden wird”) für Behörden wohl nicht überzeugend (auch wenn die meisten gar nicht erst drauf eingehen). Eine ähnliche (schwächere) Gebührenbefreiung ist wohl auch nach § 2 IFGGebV des Bundes möglich, habe aber noch nicht gefunden, dass das irgendwo mal funktioniert hätte.

Ansonsten, gibt es Ideen wie man das ein bisschen häufiger in Anschlag bringen könnte? Einen Pool aufmachen mit Leuten, die Bafög, Sozialleistungen oder irgendwas in der Art nachweisen können um systematisch Gebühren zu sparen? Vielleicht könnte auch FDS in den Hinweisen zu den Gebühren darauf hinweisen, zumindest wenn sich das als stichhaltig erweist :slight_smile:

Ich habe mal versucht, ein bisschen Licht in die Gebührenbefreiung wegen sozialer Härte zu bringen und beim Innenministerium NRW die Verwaltungsvorschriften zum Umgang mit § 2 VerwGebO IFG NRW angefragt, bin mir aber nicht sicher ob da was rauskommt… wenn ihr Vorschläge habt oder mitmachen wollt freu ich mich! :slight_smile:

LG Jannis

PS: Wenn ihr mal meinen Bafög-Bescheid “leihen” wollt, schreibt gern mal ne PM… dann können wir auch ausprobieren, ob das nur ein Glückstreffer war oder häufiger funktioniert :wink:

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Coole Sache :slight_smile: Ob das überall und immer funktioniert? Da habe ich beim Bafög Zweifel, sofern noch weiteres Einkommen existiert. Aber vielleicht ergibt deine Anfrage ja genaueres.

Die Vermeidung “sozialer Härten” ist ein relativ harter Begriff, siehe VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 09.12.2009 - 3 K 1480/06

Eine Gebührenbefreiung zur Vermeidung sozialer Härten nach § 6 Satz 1 GebG setzt regelmäßig voraus, dass die soziale Härte nicht bereits durch eine zeitweilige Aussetzung der Zahlungspflicht (Stundung) vermieden werden kann. Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Betroffene aller Voraussicht nach auf Dauer zum Erwerb von Einkommen außer Stande sein wird. Bei erwerbsfähigen Personen, die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II beziehen und denen die aufnahme jeder Arbeit zugemutet werden kann, ist dies regelmäßig nicht anzunehmen.

Möglicherweise wird hier aber auch allgemein auf das “billigende Ermessen” abgestellt. Da kann das Bafög sicher eine Rolle spielen. Kleine Beträge könnten entfallen. Größe Beträge reduziert werden. Aber dazu finde ich keine Urteile.

Hallo Jannis,
erst mal Glückwunsch zur kostenfreien Erteilung der von dir ersuchten Informationen und deine Anfrage bzgl. der Verwaltungsvorschriften.

Ich bin der Antragsteller für den von dir verlinkten Fall mit Hartz 4

Die Absicht bei meiner Argumentation mit dem Ermäßigung und Befreiungsparagrafen ist eigentlich einen Präzedenzfall zu schaffen, weil mir schon vor der Anfrage bewusst war, dass es wahrscheinlich auf eine gerichtliche Entscheidung hinausläuft oder zumindest Druck von oben (Bezirksregierung) kommen muss, damit meine Anträge überhaupt beschieden werden.

Der Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach ist kein Freund von Transparenz, gerade wenn es Angelegenheiten betrifft, die aus einer Zeit vor seinem Amt stammen.

Was den § 2 VerwGebO IFG NRW angeht, ist das leider eine Ermessenssache, die Behörden in NRW oft negativ entscheiden, um unliebsame Antragsteller abzuwehren, weil es die gesetzliche Formulierung einfach erlaubt (Kann-Regelung) und die Landesregierung versäumt hat, das bis jetzt handwerklich auszubessern.

Eine Formulierung wie in §3 HmbTGGebtO wäre natürlich optimal.

Ich setze mich seit geraumer Zeit bei den Abgeordneten des Landtags NRW dafür ein. Das Problem ist, dass das einfach zu wenige machen. Wenn ich mit Abgeordneten über Informationsfreiheit und deren Bedeutung auch im sozialen Kontext spreche, dann hören die meisten zwar aufmerksam zu und sagen auch da muss was gemacht werden, der politische Druck in dieser Angelegenheit ist aber so niedrig, dass das eher eine nachrangige Geschichte ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir eine Landtagswahl im Mai mit ungewissem Ausgang haben. Die Abgeordneten, die bereit sind etwas zu ändern, sind dann evtl. gar nicht mehr im Landtag.

Ich kann daher immer nur darum bitten, nehmt das Telefon in die Hand und setzt euch mit euren Abgeordneten sachlich auseinander, wenn ihr möchtet, dass auch Menschen die BAföG bekommen oder Sozialleistungen beziehen und oft bewusst abschreckende Gebühren nicht zahlen können, ein Recht auf Teilhabe und Informationen haben.

Der Fall mit dem Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach liegt gerade bei der Bezirksregierung als Fach & Rechtsaufsichtsbeschwerde, bis es danach mal zu einer (Gerichts)Entscheidung kommt, was die Kosten angeht, dauert das sicher noch bis 2023. Wenn es Neuigkeiten gibt, wird das natürlich in der Anfrage veröffentlicht.

Aus eigener Erfahrung mit anderen IFG Anträgen bei Behörden in NRW und dem § 2 VerwGebO IFG NRW lohnt es sich aber immer diesen anzubringen und um eine Ermäßigung zu bitten sowie auf bereits positive Bescheide in eigener Sache zu verweisen. Man muss das auch immer von zwei Seiten sehen. Wir setzen uns ja bei unseren Anfragen nicht mit Robotern auseinander, sondern da sitzen ja echte Menschen am anderen Ende, deren Zeit und Arbeitsleistung man beansprucht.

In der Verwaltung gerade in den Städten sind das meiner Erfahrung nach oft Menschen, die IFG Anfragen beantworten sollen, denen die ganze IFG Thematik gewissermaßen als Extraaufgabe zugeschoben wird und die damit wenig, bis gar nicht zu tun haben. Oft wollen die euch gerne helfen, aber natürlich müssen die sich im Zweifelsfall auch bei ihrem Dienstherren rechtfertigen, wieso der produzierte Arbeitsaufwand nicht entsprechend nach Gebührenordnung veranschlagt wurde.

Da hilft es ungemein, wenn man sich auch als Beamter auf die Entscheidung anderer Behörden berufen kann, die im Sinne des Antragstellers von Kosten abgesehen haben.

Ich habe das zum Beispiel auch bei der Gebührenbefreiung bei Anfragen mit den Gesundheitsämtern in NRW gesehen.

Nachdem ich einen ordentlich Bescheid aus zwei Gesundheitsämtern hatte (besonderen Dank an die Stadt Bonn an dieser Stelle) war zumindest die Frage der Erhebung von Gebühren gar keine mehr. Bis auf wer hätte es gedacht bei der Stadt Mönchengladbach :joy:. Aber das ist man als Mönchengladbacher einfach gewohnt, weil die Stadt chronisch pleite ist. Logik hat das aber meistens nicht. Die Abwehr eines solch hartnäckigen Antragstellers wie mir dürfte an Arbeitszeit und Kosten weit die veranschlagte Summe für das geschwärzte Gutachten übersteigen. Das ist dann im Endeffekt eine Trotzreaktion des Oberbürgermeisters und der Verwaltung, weil die meisten sich einfach nicht zur Wehr setzen und aufgeben, weil die Verwaltungsseite genau weiß das man in der Regel entweder die Mittel für eine Klage nicht aufbringen kann, den Aufwand scheut oder nicht weiß das man z. B. Anrecht auf Prozesskostenhilfe hat.

Aber Gott liebt die geduldigen.

Immer am Ball bleiben und wer weiß vielleicht haben wir in den nächsten 1-2 Jahren ja auch eine bessere Argumentationsgrundlage, weil die Landesregierung handwerklich das IFG NRW nachgebessert hat.

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Hallo, danke euch beiden für die Antworten! Freut mich vor allem sehr, @BFG, dass du meinen Post hier sogar auch gesehen hast, das passt ja prima! :blush:

Erstmal @Apoly danke für das Urteil, das liest sich natürlich nicht so gut! Ich habe selbst mal ein bisschen recherchiert dazu und habe ebenfalls wenig nützliches gefunden, allenfalls ein Urteil des BVerwG vom 15.11.1978 – 8 C 36/78 (BeckRS 1978, 677, habs leider nirgendwo frei verfügbar gefunden), in dem es u.a. um das Verhältnis von Bafög-Höchstsatz und sozialem Härtefall geht (hier aber um Wohngeld). Dort steht:

Wohngeld darf im Falle der Klägerin nicht deshalb versagt werden, weil die Unterhaltszahlungen, die sie im genannten Zeitraum erhielt, höher waren als der Höchstbetrag der Ausbildungsförderung nach § 13 BAföG (Rn. 16)

Ich würde daraus schließen, dass man selbst mit mehr als dem Bafög-Höchstsatz (oder jedenfalls diesem Betrag) nicht automatisch kein sozialer Härtefall mehr sein kann. Im Umkehrschluss könnte das bedeuten, dass man mit dem Bafög-Höchstsatz pro Monat ein sozialer Härtefall ist - oder ist das quatsch? Kann jemand hier das ganze Urteil einsehen und das besser deuten als ich? :slight_smile: Jedenfalls könnte man das ja im Zweifel mal als Rechtsauffassung vertreten und auf das BVerwG verweisen und sich dann von der Behörde erklären lassen warum es anders sein sollte :wink:
Für das Problem der Stundung nach dem VG Frankfurt (Oder) ist das leider aber auch keine richtige Lösung…

Und von wegen “billigendes Ermessen”: Zumindest eine Behörde, die schon mal jemandem die Gebühr iHv XXX wegen Bafög erlassen hat müsste dies in einem vergleichbaren Fall wegen einer Ermessensreduzierung auf Null aufgrund ihrer eigenen Selbstbindung genauso wieder handhaben (so zumindest mal im Studium gehört). Heißt beim Polizeipräsidium Bonn ginge das - ein kleiner Anfang!

Ansonsten würde ich aber auch meinen, einfach fröhlich ausprobieren und gucken wo es klappt! Wenn hier wer mal so einen Erfolg gelandet hat, gebt gern Bescheid! :wink:

LG