Verfügungsbefugnis über Informationen

Liebe Informationsbefreier!

Es geht um folgenden Fall:

Zusammenfassung: Ich möchte alle Vortragsunterlagen (Folien, Handreichungen) einer Ärztefortbildung der Landesärztekammer Erfurt haben. Zuerst habe ich das Programm angefragt. Dabei stellte sich heraus, dass eigentlich alle Vortragenden an öffentlichen Einrichtungen arbeiten, bei Ämtern, Kammern, Universitätskliniken. Also habe ich alle Vorträge bei ihren jeweiligen Institutionen angefragt. Ich bin von allen diesen Institutionen zurück an die Landesärztekammer zurückverwiesen worden, die Institutionen erklärten sich für “nicht zuständig”. Nun kann man noch darüber debattieren, ob es “nicht zuständig” beim Thüringer Transparenzgesetz überhaupt als Ablehnungsgrund gibt. Aber im Falle des Gesundheitsamtes Erfurt hießt es konkret, der betreffende Mitarbeiter arbeite dort nicht mehr und seine Vortragsunterlagen hätte er nicht dagelassen. Wo er nun arbeite, verriet mir das Amt mir nicht.

Die Landesärztekammer muss die Vortragsunterlagen haben, denn sie hat sie den Teilnehmer ausgehändigt. Sie auch nie bestritten, diese nicht zu besitzen. Sie behauptet nur, sie dürfe diese Unterlagen nicht herausgeben, wegen Urheberrecht, Geschäftsgeheimnisse usw.

Ich habe also den Thüringer Datenschutzbeauftragten eingeschaltet. Dieser hat sich nun gemeldet und gemeint, dass die Ablehnung der Herausgabe der Vortragsunterlagen korrekt sei, weil die Landesärztekammer über meine angefragten Informationen nicht “verfügungsberechtigt” sei.

Habt ihr schon mal was von so einer ominösen “Verfügungsberechtigung” gehört? Ich hatte bisher so argumentiert: Die angefragten Daten liegen der Landesärztekammer vor. Punkt. Stehen Urheberrechte entgegen? Nein, weil die Vortragenden zumindest zum Zeitpunkt ihrer Vorträge in öffentlichen Institutionen arbeiteten und daher ihrem Arbeitgeber, dem Land Thüringen, alle nötigen Nutzungsrechte eingeräumt haben, also auch diejenigen, die sich aus dem Transparenzgesetz ergeben.

Tja, also wie ich das so schreibe, denke ich mir, ich könnte den Datenschutzbeauftragten mal um einen Hinweis fragen, wie ich denn nun an meine Informationen komme, denn anscheinend bin ich einem klassischen Zuständigkeitskarussell gefangen.

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Ja, die liebe Verfügungsberechtigung: Für mich zählt das in dieselbe Kategorie wie “Spezialgesetzliche vorrangige Regelungen”. Von Juristen erfunden, um Ausnahmetatbestände zu erschaffen, die offiziell keine sind. Gute IFGs brauchen das nicht. Das UIG z.B. kennt eine solche Regelung (Danke liebe EU) nicht. Wer hat, der hat - nach UIG.

Zum Thema: Im Bund gibt es sowas auch - der BfDI hat sich dazu m.E. in diversen Tätigkeitsberichten klar geäußert. Wer dauerhaft und ohne Bedingungen über Akten verfügt, dem wurde mindestens stillschweigend die Verfügungsberechtigung übertragen.

In der Praxis scheint der BfDI das aber nicht immer so anzuwenden - vielleicht findest du in dieser Anfrage dennoch Argumente für dich, da die Regelung Bund/Thüringen gleich sind.

Dazu hier: Rohdaten der Justiz­geschäfts­statistik für die Verwaltungsgerichte

Ansonsten mal reinschauen in (IFG Bund - also immer als Analogie anzuwenden):

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 12 B 14.13
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 12 B 11.19 vom 05.11.2020
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.05.2019 - 15 A 873/18

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