"Unvorhersehbares" Verhalten der Polizei mit Bodycams

Ich habe heute einen Bescheid vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste bekommen. Es geht um den Bericht hier genannten Projektstatusbericht bezüglich Body worn video.

Das LZPD lehnt meinen Antrag ab:

Gemäß § 6 S. 1 lit. a) IFG NRW ist der Antrag auf Informationsfreiheit abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, beeinträchtigen würde.
Der Projektstatusbericht lässt Rückschlüsse auf das (wahrscheinliche) Verhalten von Polizeivollzugskräften in bestimmten Einsatzsituationen zu. Dieses Wissen kann dazu genutzt werden, sich polizeilichen Maßnahmen zu entziehen, diese zu erschweren oder gesteigerte Gefahren für Leib und Leben der Polizeivollzugskräfte hervorzurufen. Hierin sehe ich eine Beeinträchtigung der Tätigkeit der Polizei.

Hat wer da grade noch eine Idee für einen Widerspruchsgrund?

Wie ich grade gelernt habe hat das FIfF dazu schon eine Klage angestrengt. Leider ist das Urteil nicht wirklich Hilfreich:

Im Bereich der präventiven und repressiven Tätigkeit der Polizei- und Ordnungsverwaltung sind insbesondere „sensible verwaltungsinterne Abläufe und Strukturen (z. B. Anzahl, Art und Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln, Ausstattungs- und Einsatzkonzepte der Polizeien des Bundes, Vorbereitung von Planungsentscheidungen für Alarmierungsfälle, Geisellagen und Fahndungslagen) vor Bekanntwerden zu schützen“ (BT-Drucks. 15/4493 S. 10 zu § 3 Nr. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – IFG –, vgl. auch Scherzberg/Solka, in: Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, Stand 2017, § 3 IFG Bund Rdn. 117).

Mir viele grade nur auf, dass die Begründung des IFG damals vorsah, dass

Nr. 1 […] den Schutz bestimmter hochrangiger öffentlicher Interessen, nämlich verschiedene Aspekte des Staatswohls [betrifft]. Nach den Umständen des Einzelfalles muss klar sein, dass eine Freigabe der begehrten Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung der Schutzgüter führen würde.

Die aktuell geltenden Fassung hat immer noch einen ähnlichen Worlaut.

Moin!
Vorsicht: In NRW gibt es keine Widersprüche. Es müsste also direkt eine Klage geben. Was ich mir in diesem Bereich vorstellen könnte: Selbst wenn manche Teile des 60-seitigen Berichts geschwärzt werden müssten, müsste der übrige Teil herausgegeben werden. Es ist schwer vorstellbar, dass wirklich alles geschwärzt werden muss.

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Kann ich das über transparenzklagen.de einreichen? Ich hab dann ja keinen Widerspruchbescheid.

Ja, das ist möglich.

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Hallo,
ich habe heute eine ähnliche Antwort auf eine Anfrage erhalten. Dabei geht es um ein Protokoll zu einem Polizeieinsatz in Baden-Württemberg. In der Antwort steht

Ein Anspruch auf Informationszugang besteht jedoch gem. §4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG nicht, soweit und solange das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Belange der öffentlichen Sicherheit haben können. Öffentliche Sicherheit umfasst dabei die Unverletzlichekit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und der sonstigen Träger der Hoheitsgewalt, insoweit auch die ungestörte Funktionsfähigkeit der Polizei. […] In dem von Ihnen begehrten Einsatzprotokoll sind sowohl polizeitaktische Erwägungen der Einsatzleitung als auch daraus resultierende polizeitaktische Maßnahmen der eingesetzten Polizeikräfte schriftlich dokumentiert. Eine Bekanntgabe würde Aufschluss über die Arbeitsweise der Polizei bei derartigen Anlässen geben. Mit diesem Wissen wäre es durchaus möglich, sich auf das künftige Vorgehen der Polizei bei ähnlichen Anlässen einzustellen und somit die polizeiliche Bewältigung derartiger Einsätze zu erschweren oder gar zu vereiteln. Die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter besteht allein schon deshalb, weil die nach dem LIFG herausgegebenen Informationen keinen Verwendungsbeschränkungen unterliegen und somit jedermann zugänglich gemacht werden können.

Darüber hinaus ist ihr Antrag auch gem §2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG abzulehnen. Danach gilt der Auskunftsanspruch nicht für Strafverfolgungsbehörden, soweit sie als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher oder sachlicher Unabhängigkeit tätig werden. Der Begriff der Strafverfolgungsbehörden umfasst dabei auch die Polizei, sofern sie - wie vorliegend - auch repressiv tätig wird.

Mein Frage ist jetzt natürlich: Sind diese Begründungen gerechtfertigt und reichen sie aus meinen Antrag anzulehenen? Ich erinnere mich da auch an einen Vortrag beim CCC bei dem es ein Urteil gab, was klar besagte, dass Polizeiarbeit vorhersagbar sein muss.
vielen Dnak

Moin, interessant! Schalte mal den Beauftragten für Informationsfreiheit dazu ein. Das kannst du in der Anfrage über den Button “Vermittlung” tun.

Alles klar, mache ich.
Danke für den Tip

Hallo ich,
kannst du deine Anfrage mal verlinken? Ich habe vor ebenfalls eine Anfrage zu einem Polizeieinsatz in BW zu stellen und das wäre ganz interessant für mich.

Gruß

Es handelt sich um die Anfrage " Protokoll zum Polizeieinsatz in der Nacht 30.04./01.05.2019 Belfortstraße [#136001]" (Freiburg im Breisgau).
mfG

Das ist ja der Hammer, genau das wollte ich auch anfragen. War nämlich auch anwesend in der Belfort/Grether…

Nun gut, genug off-topic. Danke dir.

So, ein kleines Update:
Ich bin immer noch dran, habe aber bisher nichts gehört von der Vermittlung (außer einer automatischen email dass sie etwas tun, aber keine Fristen einhalten können). Sollte ich da nochmal nachhaken? In der Antwort, die ich von der Polizei bekommen hatte stand eine Frist von 4 Wochen, falls ich widersprechen möchte. Die läuft jetzt bald ab. Sollte ich da auch nochmal nachhaken?
mfG

Ich habe heute Antwort bekommen von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Die Begründung der Polizei Freiburg wird darin bestätigt. Der Vergleich mit dem IFG Berlin kann offenbar so nicht gezogen werden, da sich die Gesetze der Länder wesentlich unterscheiden (ohne Angabe konkreter Stellen).

Den Bericht bekommen wir also leider nicht, aber den Versuch war es allemal wert!

Damit hat der LfDI wahrscheinlich nicht mal Unrecht. Die jeweils einschlägigen Bestimmungen unterscheiden sich doch sehr deutlich: § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG BW und §§ 9 ff. IFG Berlin.

Das große ABER: Der LfDI hat das von Dir zitierte Urteil (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2012 - OVG 12 B 27.11) allem Anschein nach nicht mal gelesen. Denn dann hätte er festgestellt, dass sich das Urteil auf das Bundes-IFG bezieht. Hier sind LIFG BW und Bundes-IFG wortgleich: § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG BW und § 3 Nr. 1 lit. c IFG.

Die mir bekannte Rechtsprechung in Baden-Württemberg ist dennoch nicht freiheitlich, nämlich: VG Stuttgart (14. Kammer), Urteil vom 27.10.2016 - 14 K 4920/16 Rn. 38.

Zu beachten ist, dass der LfDI schreibt:

Im konkreten Fall Ihrer Anfrage ist die Arbeit der Polizei als Strafverfolgungsbehörde mit repressiven Charakter unter den […] Ausnahmetatbestand der §§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 4 Abs. 1 Nr. 5 LIFG zu fassen.

Die Urteile des OVG Berlin-Brandenburg und des VG Stuttgart betreffen somit zwar einen ähnlichen Sachverhalt, allerdings stützt die Behörde und der LfDI die Ablehnung auf einen anderen Ablehnungsgrund.

“Harte Nuss” ist hier § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG. Die Gesetzesbegründung sieht von dieser Ausnahme nämlich die Polizei erfasst, insofern “sie repressiv, also zur Verfolgung und Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten tätig wird” (Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drs. 15/7720, 60 f.).

Interessant ist aber der Bezug auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 LIFG, der dem Bundes-IFG entspricht. Bezüglich der Regelung des Bundes geht man nämlich davon aus, dass diese zeitlich begrenzt ist (Schoch IFG/Schoch, 2. Aufl. 2016, IFG § 3 Rn. 145).

Fragen, die man stellen sollte:

  1. Enthalten die angefragten Informationen Aspekte, die nicht unter § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG zu fassen sind, sodass diese in den Anwendungsbereich des LIFG fallen?
  2. Sind diese Informationen unter § 4 Abs. 1 Nr. 5 LIFG zu fassen? Dann müsste die Behörde nach § 9 Abs. 2 LIFG Auskunft geben, wann der Informationszugang voraussichtlich möglich ist.
  3. Ist die Behörde im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 LIFG ihrer möglicherweise bestehenden Darlegungslast in ausreichender Weise nachgekommen? (Bezugnehmend auf: Schoch IFG/Schoch, IFG § 3 Rn. 144).

Fragen, die man sich stellen kann, wenn man sehr viel Zeit hat:

  1. Welchen Anwendungsbereich hat der § 4 Abs. 1 Nr. 5 im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG dann überhaupt noch?
  2. Sind solche absoluten Bereichsausnahmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LIFG) verfassungsrechtlich problematisch, obwohl die herrschende Meinung das anders sieht?

(Vorstehendes stellt meine persönlichen, unsortierten Gedankengänge dar und ist keinesfalls als Rechtsberatung oder Handlungsempfehlung zu verstehen.)

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Hoppala,
für mich als absoluten Neuling auf diesem Feld (und nicht-Anwalt) sind das dann doch sehr viele Paragrahen und Gesetze. Das habe ich einfach nicht die Zeit mich einzuarbeiten. :frowning:
Da stellen sich mir die Fragen: Kann auch eine andere Person meine Anfrage bei FragdenStaat vorantreiben, das heißt weiter nachfragen? Einsehen kann man sie ja zumindest. Falls nicht, erachten es noch andere Interessierte (mit Erfahrung in der Hinsicht) als sinnvoll den LfDI mit den “Fragen die man stellen sollte” zu kontaktieren?
Grüße

Ich habe das zwar noch nie ausprobiert, aber ich glaube die Funktion “Team-Zugang” ist genau dafür da.