Standardantwort aus Stuttgart: Umgang mit Gebühren für IFG-Anfragen

Hallo @jonas , @john.doe , @kartie ,

ich habe mal die Standardantwort unter die Lupe genommen, die gerade anscheinend in Stuttgart die Runde macht, um Bürger möglichst fundiert von einer Weiterverfolgung von IFG - Anfragen abzuschrecken. Meine rechtliche Prüfung musste sich auf die Lektüre der Rechtsvorschriften beschränken, auf die der/die Sachbearbeiter*in in seinen Schreiben verweist - Kommentare etc. standen mir erstmal nicht zur Verfügung.

Vorweg: Es gibt schlechte und gute Nachrichten. Schlecht ist, dass das IFG-Gebührenrecht schlecht ist. Gut ist, dass seine juristische Untermalung nicht ganz korrekt sein dürfte: Denn zum Einen lässt er bei seiner Antwort ein allgemeines verwaltungsrechtliches Prinzip außer Acht, zum Anderen auch eine Vorschrift der Stuttgarter Gebührensatzung, auf die er ja so gerne abstellt.
Doch der Reihe nach - und beginnend mit dem betreffenden Abschnitt, auf die er/sie ja so gerne verweist:

c) Hinsichtlich der Gebühren weisen wir darauf hin, dass in Bezug auf
Anträge auf Informationszugang nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz gem. § 10 Abs. 1 und 2 LIFG Gebühren und Auslagen nach der Verwaltungsgebührensatzung der Landeshauptstadt Stuttgart erhoben werden. Die Gebührenregelungen in § 10 Abs. 3 LIFG, die nur für das Land, jedoch nicht für die Kommunen gelten, finden vorliegend dementsprechend keine Anwendung. Es gibt also insbesondere keine Gebühren- und Auslagenfreiheit für einfache Fälle.
Einschlägig ist bei der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) grundsätzlich die
allgemeine Gebührenziffer nach § 10 Abs. 1 LIFG in Verbindung mit § 2 Abs.
1 der Verwaltungsgebührensatzung der LHS (VwGbS) und Ziffer. 1.13 des
Gebührenverzeichnisses. Für die Bemessung ist u. a. der Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Übersteigen die Gebühren voraussichtlich die Höhe von 200 Euro, werden wir Sie gem. § 10 Abs. 2 LIFG über die voraussichtliche Höhe der Kosten vorab gebühren- und auslagenfrei informieren und zur Erklärung über die Weiterverfolgung des Antrags auffordern. Eine Rücknahme des Antrags in diesem Fall ist nicht gebührenpflichtig. In sonstigen Fällen, z. B. wenn Sie, ohne dass es eine Mitteilung nach § 10 Abs. 2 LIFG gegeben hat, den Antrag zurücknehmen fallen grundsätzlich Gebühren nach Ziffer 1.2 des Gebührenverzeichnisses an. Im Übrigen ist auch die Ablehnung des Antrags nach Ziff. 1.1 des Gebührenverzeichnisses gebührenpflichtig. Bezugsgröße für die Ziffern 1.1 und 1.2 ist Ziffer 1.13 des Gebührenverzeichnisses. In Ausnahmefällen, z. B. bei einer kurzen telefonischen Auskunft oder bei sehr geringem Aufwand, kann von Gebühren abgesehen werden (nach § 3 Abs. 3 VwGbS oder gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c und Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit §§ 156 Abs. 2, § 163 bzw. § 227 AO). Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von Gebührenerhebung bei Beantwortung Ihres Antrags rechtfertigen würde, ist vorliegend nicht gegeben.
Um Ihnen im Voraus einen Eindruck der zu erwartenden Gebührenhöhe zu geben,teilen wir Ihnen ausschließlich unverbindlich und ohne Gewähr mit, dass ich momentan aufgrund des zu erwartenden Arbeitsaufwands bei mir und den Kolleginnen und Kollegen davon ausgehe, dass sich wahrscheinlich eine Gebühr in Höhe von ca. 150,00 € ergeben wird.<

Richtig ist zunächst, dass leider das LIFG Baden-Württembergs nur für die Behörden des Landes allgemein vorsieht, dass einfache Anfragen keine Gebühren auslösen können (§ 10 III iVm § 2 I Nr. 1 LIFG BW). Das heißt aber nicht, dass nicht auch in Gemeinden einfache Auskünfte kostenfrei bleiben können; das heißt vielmehr nur, dass insoweit - also was einfache Anfragen betrifft - die Gebührensatzungen der Gemeinden selbst maßgeblich sind. Und bei all den Vorschriften, die aus der Gebührensatzung Stuttgarts (hier einsehbar - als PDF downloadbar: https://www.stuttgart.de/rathaus/verwaltung/stadtrecht/0/0-4-satzung-der-landeshauptstadt-stuttgart-ueber-die-erhebung-von-gebuehren-fuer-oeffentlichen-leistungen-verwaltungsgebuehrensatzung-.php) zitiert werden, lässt er wohl ganz bewusst eine außer Acht: In § 3 I der Satzung heißt es:

(1) Gebühren werden nicht erhoben in den Fällen des § 9 des Landesgebührengesetzes.

§ 9 des Landesgebührengesetzes BW (“sachliche Gebührenfreiheit”) sagt in Nr. 5 Folgendes:

(1) Gebühren werden nicht erhoben für öffentliche Leistungen, die folgende Angelegenheiten betreffen:

Nr. 5: mündliche, einfache schriftliche oder elektronische Auskünfte, soweit bei schriftlichen oder elektronischen Auskünften nicht durch Gebührenordnungen oder -satzungen etwas anderes bestimmt ist, …>

Und in der Gebührensatzung Stuttgarts ist für einfache schriftliche Auskünfte nichts Anderes bestimmt - denn sie verweist gerade auf den gesamten § 9 des für ganz Baden-Württemberg geltenden Landesgebührengesetzes.
(man abstrahiere: Wo also eine Gemeinde - Gebührensatzung in BW in ähnlicher Weise auf § 9 des Landesgebührengesetzes verweist, lässt sich also in gleicher Weise darauf Hinweisen)

Ergo: Für einfache Auskünfte - mündlich oder schriftlich - dürfen auch nach dem Gebührenrecht Stuttgarts keine Gebühren verlangt werden.
Es kommt nun aber auf die Auslegung dieses sog. unbestimmten Rechtsbegriffs “einfache Auskunft” an. Hierbei würde ich argumentativ anknüpfen an das hier Gesagte https://forum.okfn.de/t/gebuehren-rechtliches-und-taktisches/ - also insbesondere auf die 30 - Minuten - Regel. Wo es dazu keine eigenen Vorschriften in BW oder in Stuttgart gibt, würde sich meines Erachtens im Zweifelsfall auch ein Gericht an den Bundes-IFG - Maßstäben orientieren (Rechtsprechung dürfte es zu dieser speziellen Frage noch nicht geben, aber ohne Gewähr).

Nun eine weitere Drohgebärde, die man so nicht stehen lassen kann: Das Schreiben droht damit, dass auch bei der Rücknahme eines Antrags Gebühren anfallen können. Das mag formell so sein - aber hier kommt ins Spiel, dass in dem Schreiben wohl ganz bewusst ein allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsatz viel zu kurz kommt, den ich auch in dem oben verlinkten von mir erstellten Thread erwähne:
Nämlich, dass die Behörde wegen § 25 VwVfG gehalten ist - und im IF-Zusammenhang noch mehr - den Bürger im Vorfeld einer Anfrage zu beraten. Nun mag ein formeller Kostenvoranschlag nach § 10 II LIFG BW nur dann verpflichtend zu erstellen sein, wenn voraussichtlich 200 Euro Gebühren anfallen werden.
Dies heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass die Behörde nicht gehalten wäre, eben wegen § 25 VwVfG dem Bürger, der ausdrücklich vorab um eine Einschätzung der Kosten bittet (siehe Standardtext FragDenStaat), beratend zur Seite zu stehen - nicht ohne Grund nennt der Text dann doch eine voraussichtliche Gebührenhöhe von 150 Euro. Genauso wie sie gehalten ist, das finale OK abzuwarten, wenn der Bürger zunächst um eine Einschätzung der voraussichtlichen Kosten bittet (siehe - wie gesagt - den allgemeinen Gebühren - Thread).

Kurzum und zusammenfassend.
Einfache - auch schriftliche - Auskünfte müssen auch in Stuttgart gebührenfrei bleiben.
Eine Beratung zu den voraussichtlichen Kosten muss bei entsprechender Bitte des Bürgers erfolgen, auch wenn kein ganz konkreter Kostenvoranschlag ergehen muss.

Zuletzt - die konkrete Anfrage an die Schule betreffend: Hier macht es nur Sinn, das weiterzuverfolgen, wenn man entweder bereit ist, 150 Euro zu zahlen, oder in Zweifel zieht, dass es sich nicht um eine einfache Auskunft handeln soll - aber gleichzeitig bereit ist, das Risiko zu tragen, die Antragsbearbeitung zuzulassen und erst im Nachhinein, falls dann an der 150 Euro - Forderung festgehalten wird, die angebliche Gebührenschuld gerichtlich überprüfen zu lassen.

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