Legalisiertes Gehwegparken dank eigenwilliger Verkehrsingenieure?

Hallo liebe Forengemeinde,

ich bin neu hier und komme nach erstem Mail-Kontakt mit Frag-den-Staat auf dieses Forum. Nachdem ich mich durch einige Themen geklickt habe, wage ich einen Versuch:

Nach einem lange Beschwerdeweg bei der Kommunalverwaltung Mülheim an der Ruhr und der Düsseldorfer Bezirksregierung bzgl. eines vermutlich falsch aufgestellten Schildes (Bei Interesse reiche ich diesen nach) ist mir und dem Verein Fuss e.V. bei den zwischenbehördlichen Prozessen etwas ungewöhnliches aufgefallen:

In der VwV StVO werden Bedingungen für das erlaubte Gehwegparken (Verkehrszeichen 315) geregelt, die dem Fußverkehr gewisse Restgehwegbreiten und damit Sicherheit zusprechen. Nach Aussage der Bezirksregierung Düsseldorf wurde 2011 im Zuge einer Verkehrsingenieurskonferenz die genaue Umsetzung dieser VwV StVO in Bezug auf VZ 315 für die Kommunen besprochen. Auf das Protokoll der Versammlung, welchem Erlass-Charakter zugeschrieben wird, berufen sich Bezirksregierung und Kommunalverwaltung bei meiner Beschwerde über das ggf. falsch aufgestellte VZ 315. Nach allem, was Fuss e.V. und ich recherchieren konnten darf diese Versammlung lediglich verschärfend eingreifen, Regelungen aber nicht derart abschwächen wie hier geschehen. Damit schränkt dieser Erlass bundeseinheitliche Rechte des Fußverkehrs deutlich ein, ohne dass wir einen gangbaren Klageweg sehen. Die Regelung wirkt wie ein Diktat der Autobesitzer ohne Berührungspunkte mit demokratischen oder rechtsstaatlichen Prozessen. Es wirkt als wäre es egal wen ich wähle, am Ende entscheidet die Verkehrsingenieurskonferenz über die Verteilung des öffentlichen Raums - einfach durch die eigene Definition von für die Verwaltungen praktischen Richtlinien. Das Protokoll gesehen habe ich übrigens nie, mich würde sehr interessieren wer auf dieser Konferenz damals was genau beschlossen hat. Meiner Auffassung nach ist auch die öffentliche Nachvollziehbarkeit des angeordneten Gehwegparkens nicht mehr gegeben.

Von meinem Posting erhoffe ich mir, eine mögliche Anlaufstelle für genauere Nachfragen zu dem Kompetenzbereich der Verkehrsingenieurskonferenzen zu erfahren. Auch hilfreich wäre: Wo beschwere ich mich darüber das eine Konferenz auf Landesebene Bundesvorgaben aussticht? beim Landes-/ Bundesjustizministerium? Dem Landesverkehrsministerium? Sie dürfen auch ehrlich sagen wenn ich mir das Problem nur einbilde. Würden alle Gehwegparken-Schilder gemäß der bundeseinheitlichen VwV StVO eingerichtet werden, entstünde in vielen Städten mehr Platz für sichere Schulwege, Senior*innen und Menschen ohne Auto. Dies wäre meiner Ansicht nach besser für das Klima und den Zusammenhalt im Viertel - rumstehende Autos empfinde ich daher nicht als schützenswertes Element in dichtbesiedelten Gebieten.

Mir geht es nicht um Polemik und ich bin auch nicht der Anzeigenhauptmeister, aus meiner Wahrnehmung versuche ich mich gegen eine wenig beachtete Form systemischer Gewalt zu wehren.
Die systemische Gewalt sehe ich bei der sozial und ökologisch ungerechten Verteilung von öffentlicher Fläche, besonders in Innenstadtlagen. Ohne dass jemals Bürger dies beantragt hätten, stellen Verwaltungen sehr viel öffentliche Fläche mit Parkplätzen zu - auch auf Gehwegen. Gehwege sind als Schutzraum für den Fußverkehr zu verstehen, besonders für Kinder, alte oder bewegungseingeschränkte Menschen von großer Bedeutung für einen selbst bestimmten Alltag. Festzulegen, wem wie viel öffentliche zu steht, ist somit eine große Verantwortung. Geschieht dies zu einseitig für den Autoverkehr, heizen sich Straßenzüge schneller auf, es besteht eine erhöhte Unfallgefahr und die Abgas- sowie Lärmwerte steigen mess- und spürbar an. Eine genaue Abwägung, wo Parken auf Gehwegen ausnahmsweise erlaubt ist, wäre also wichtig(Gehwegparken ist nach StVO grundsätzlich verboten). In der Realität haben bisher fast ausschließlich autofahrende Männer diese Abwägung getroffen. Zwischen Windschutzscheibe und Sitzheizung lässt sich jedoch schlecht über subjektives Sicherheitsgefühl und Platzbedarf von Fußgänger*innen urteilen. Selten beachtet wird dieses Problem auch deshalb, weil die meisten Deutschen selbst Autos besitzen und verständlicherweise nah am eigenen Hauseingang parken möchten. Mit immer mehr und größer werdenden Autos nimmt der Raumverlust für den Fußverkehr weiter zu und es ist angesichts der 20.000 Verkehrstoten in Europa im letzten Jahr nicht übertrieben, bei dieser abstrakten Form des Lebensraum-Raubes den Gewaltbegriff zu verwenden.

Weiß jemand Rat oder befasst sich ebenfalls mit den Kompetenzbereichen und Veröffentlichungspflichten einer Verkehrsingenieursversammlung?

Einen schönen Tag und liebe Grüße,
Robin

Ein Erlass ist eine Dienstanweisung einer Behörde an eine untergeordnete Behörde, Bürgerrechte dürfen damit nicht beschnitten werden.
Ganz davon abgesehen: Deine Ausführungen rufen geradezu danach, einmal die Protokolle dieser Ingenieurskonferenz anzufragen. Diejenige Behörde, die sich darauf bezieht, wird diese Protokolle ja wohl vorliegen haben.

Vielen Dank für die Reaktion und den Zuspruch zu einer Anfrage. Ich habe über frag-den-staat eine entsprechende Anfrage an die Bezirksregierung Düsseldorf gerichtet und halte Mitlesende gerne auf dem Laufenden.