Forschungsdaten: Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen

Hallo liebes Forum,

bevor ich meine erste Anfrage via FragDenStaat – Informationsfreiheit erstelle, würde ich mir gerne hier im Forum ein Einschätzung holen, inwiefern mein Vorhaben denn sinnhaft ist:

Ich benötige für ein Forschungsprojekt einen möglichst vollständigen Datensatz zu Berufungsverfahren (also die Auswahl und Ernennung von Professoren und Professorinnen) an deutschen Hochschulen zwischen 1980 (gerne auch früher) und (möglichst nahe an) heute. Anonymisierte Daten sind dafür ausreichend, es geht im Wesentlichen um folgende Datenpunkte:

  • Berufungs- bzw. Ernennungszeitpunkt
  • Fachbereich / Lehrstuhl
  • Alter und Geschlecht des/r ernannten Professors/Professorin
  • Alter, Geschlecht und Anzahl der Mitbewerber/innen

(- wünschenswerterweise: Alter und Geschlecht der Kandidaten/Kandidatinnen der “Dreierliste” (Geordnete Liste der drei geeignetsten Kandidaten/Kandidatinnen nach Auffassung der Berufungskommission))

Der nächste Absatz ist nicht juristisch geprüft, falls meine Auffassung nicht korrekt sein sollte, bitte korrigiert mich:

Die Besetzung der Professuren ist Ländersache und die Archivierung dieser Verfahrensdokumente sollte damit, gemäß den Landesarchivgesetzen (LArchG), den jeweiligen Landes(haupt)archiven unterliegen. Die Archive wiederum gelangen an diese Daten durch die in den Landesarchivgesetzen verankerten “Anbietungspflicht”, die alle öffentlichen Stellen des Landes dazu verpflichtet, alle Unterlagen, die diese nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, den Archiven zur Verwahrung anzubieten.
Es gibt also zwei potentielle Orte, an denen diese Daten lagern können: Die Landesarchive und die Hochschulen.

Bei den Landesarchiven gibt es drei Probleme:

Erstens erschließt sich mir aus z.B. dem LArchG von RLP nicht, ob die beiden Landesarchive in Speyer und Koblenz dieses Verwahrungsangebot auch ablehnen können. Daraus ergibt sich die Frage nach der Vollständigkeit des Datensatzes.

Zweitens gibt es eine teilweise extrem lange Frist zur Einhaltung dieser Anbietungspflicht (in RLP liegt diese bei 30 Jahren nach der Entstehung der Dokumente). Da dies im Ermessen der Hochschulen liegt, kann man auch hier erst bei 30+ Jahre alten Daten von Vollständigkeit ausgehen (bzw.: darauf hoffen)

Drittens ist in den LArchG auch die Nutzung des öffentlichen Archivguts geregelt und auch hier gibt es sehr lange Sperrfristen (in RLP bspw. liegt sie, mit einigen Sonderfällen, grundsätzlich erst einmal bei 30 Jahren).

Hilft mir das IFG unter den gegebenen Bestimmungen überhaupt an diese Daten über die Landesarchive zu kommen oder ist das von vorne herein verschwendete Liebesmüh? Ändert der Umstand, dass der Verwendungszweck Forschung ist, etwas daran?

Die andere Option, die sich ergibt, ist die Anfrage direkt bei den Hochschulen, die mMn ebenfalls auskunftspflichtig im Sinne des IFG sind. Dazu habe ich bereits bei Hochschulen angefragt, allerdings wurde angemerkt, dass diese Unterlagen fast ausschließlich nicht-öffentlich bzw. vertraulich sind. Auch hier stellt sich die Frage: Habe ich überhaupt einen Anspruch darauf, diese Daten zu erhalten?

Grundlegende Einschätzungen aus der Community, die ich mir hier erhoffe:

  • Sind die beiden Optionen potentiell zielführend?

  • Falls meine Interpretation der LArchG korrekt sind, würde das bedeuten für Option A) 16 Anfragen an die jeweiligen Landesarchive und für Option B) 304 Anfragen an die einzelnen deutschen, nicht-privaten Hochschulen zu schicken. Wenn das nicht als kleine Anfragen bewertet wird (ich befürchte das dauert länger als 30 Minuten?) ist es abzusehen, dass Option B sehr teuer wird. Macht es Sinn, die Gesamtanfrage in mehrere kleine Anfragen zuzuschneiden, so dass weniger Gebühren anfallen? Also meinetwegen für jedes Jahr eine einzelne Anfrage zu stellen?

  • Die Spanne der Gebühren reicht ja oft von 0€ bis 500€/1000€. Kennt jemand Beispiele für Anfragen, die im oberen Gebührenende gelandet sind, damit ich einen Vergleich habe, was denn die Anfragenentsprechung einer 500€ Gebühr in etwa ist?

  • Alternativ- bzw. Verbesserungsvorschläge?

Vielen Dank schon einmal!

Hallo, na Du steigst ja gleich mit einer ganz harten Nuss ins Thema ein. Ich schicke auch vorweg, ich bin kein juristischer Profi und auch kein Archivprofi, hatte mich aber mal in Zusammenhang mit einem Projekt mit der Arbeitsweise von Archiven befasst.

Ich hatte es so verstanden, daß Unterlagen von den abgebenden Stellen dreißig Jahre lang aufbewahrt werden müssen und daß die Platzprobleme haben. Wenn sie sich im Fall einzelner Landesgesetze mehr Zeit lassen dürfen, bevor sie es den Landesarchiven anbieten, dann ist das wohl eher ein entgegenkommen, weil es mal schwierig werden kann mit der Abwicklung, aber das Interesse, es los zu werden liegt bei den Abgebenden. Die Anbietungspflicht bedeutet, sie dürfen es nicht einfach so wegwerfen, sondern müssen vorher fragen. Das Landesarchiv darf sagen, für uns ist das nicht von Interesse. Auch Bestände, die das Archiv übernimmt “kassieret” es, und zwar recht umfangreich. Typisch bleibt wohl rund 1% der Unterlagen erhalten. Das Verfahren kann dabei sehr schematisch sein, z.B. wir bewahren Anfangsbuchstabe R auf. Auf Vollständigkeit kannst Du daher meiner Meinung nach nicht hoffen, was für Deine Fragestellung natürlich ziemlicher Mist ist.

Die dreißig Jahre sind auch die Frist, wie lange Unterlagen unter Verschluss bleiben. D.h. zu dem Zeitpunkt wo sie ins Archiv kommen dürfen sie wieder veröffentlicht werden. Bei personenbezogenen Daten kann das länger sein. Aber es ist der Sinn und Zweck von Archiven, Dinge zugänglich zu machen. Darein investieren sie viel Zeit und Geld. Die Arbeitsweise von Archiven mag einem als Aussenstehenden umständlich erscheinen, aber im Normalfall haben die wunderbare Beratungsangebote. Und Du wirst nach dem Gespräch mit ein oder zwei Archiven bereits viel klarer sehen. Du kannst denen auch eine IFG Anfrage schicken, aber ich schätze, das macht denen in ihren Abläufen ziemliche Probleme und das ohne Not. Die wollen ja veröffentlichen. Deshalb mein Rat, frag dort erst mal direkt an.

Bei den Hochschulen gehe ich fest davon aus, daß die das als personenbezogene Daten erst mal nicht heraus geben, und das auch zu recht und unabhängig vom Weg der Anfrage, ob nun als IFG-Anfrage über das Portal oder direkt. Um Zeit zu sparen kannst Du bei einer Hochschule, die Dir vielleicht nicht ganz so wichtig ist, die vielleicht sowieso aus dem Rahmen fällt, z.B. Neugründung oder Theaterhochschule einen konfrontativen Weg wählen und parallel bei anderen Dich Schritt für Schritt nähern. Per fragdenstaat-Anfrage hast Du im Zweifel relativ schnell zumindest etwas Schriftliches. Wobei es auch da wohl noch welche gibt, die generell blocken.

Schritt für Schritt wäre aus meiner Sicht, such Dir einen Lehrstuhl oder ein Dekanat, von dem Du Wohlwollen bezüglich bzw. Interesse an Deiner Forschungsfrage annehmen kannst und bitte da um Unterstützung, anstatt gleich an die Hochschulverwaltung zu gehen. Die Verwaltung ist im Zweifel überlastet und aus dem Grund schon nicht besonders kooperativ. Im zweiten Schritt halt Hochschulverwaltung, aber mit Bitte um die Möglichkeit, das Anliegen persönlich vorzutragen und dann je nach Ergebnis förmliche Anfrage. Sobald Du bei einigen Hochschulen Erfolg hast kannst Du bei anderen aus demselben Bundesland zumindest darauf verweisen, daß andere so und so argumentiert haben. Denn das ist ja auch immer eine Aufgabe, die Zeit kostet, sich einen Begründung auszudenken, warum es geht oder nicht geht.

Aufteilung der Anfrage würde ich gerade wegen der Gebühren keinesfalls machen. Damit spielst Du ihnen ja in die Hände. Außerdem ist dann von Beginn an die Stimmung mies. Manchmal versuchen umgekehrt die angefragten Stellen das Aufteilen als Trick, um mehr als 500 € verlangen zu können. Die Gebühren sind ja pro Anfrage gedeckelt. Also im ungünstigsten Fall 500 € mal 300 gleich 150 T€. Aber bei einer abschlägigen Antwort weil “haben wir nicht” oder “geben wir nicht raus” wird es ja nichts kosten. Und auch sonst wird oft mit 500 € gedroht und am Ende 50 oder 100 € abgerechnet. Ein Budget solltes Du in jedem Fall haben für ein bis zwei Mal 500 €, um nicht gleich einzuknicken. Das Problem ist auch, daß Dein eigener Zeitaufwand steigt, wenn sich jemand quer stellt. Deshalb reicht diese Summe wohl erst mal und dann weiter sehen, wie es läuft. Um nicht selber zum Flaschenhals in der Bearbeitung zu werden würde ich sowieso erst mal mit einer Auswahl von z.B. zwanzig Hochschulen starten und sehen, wie es so läuft, bevor ich richtig aufdrehe.

Ich hoffe, das hilft erst mal. War jetzt so mehr taktisch organisatorisch, aber das spielt halt auch immer mit. Insgesamt kann ich Dir nur Glück wünschen. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß Du genug zusammen bekommst. Besonders die Daten der abgelehnten BewerberInnen, das stelle ich mir noch mal schwieriger vor.

Okay, also erstmal Danke für deine Antwort!

Da habe ich wohl das LArchG mit der Anbietungspflicht falsch verstanden, so ergibt das durchaus mehr Sinn. Damit ist die Anfrage bei den Landesarchiven tatsächlich nicht sehr erfolgsversprechend.

Ich habe bin jetzt zunächst einmal den Weg gefahren, Hochschulen ähnlich wie du es beschrieben hast, anzuschreiben und da es direkt positive Rückmeldung gab, werde ich das erst einmal weiter verfolgen und schauen, was dabei herum kommt. Falls das nichts wird, komme ich hier mit einem Update zurück.