Betriebsgeheimnisse bei öffentlichem Ausschreiben

Ich wohne seit 25 Jahren in Schweden, deshalb verwende ich eventuell ungebräuchliche Übersetzungen der relevanten Begriffe, sorry dafür, und verbessert mich gerne!

Bin gerade dabei, als Lokführer unfreiwillig den Arbeitgeber zu wechseln, weil die Provinzen den Betrieb des Verkehrs ausgeschrieben haben und sich eben für einen anderen Unternehmer entschieden haben.

Ich habe die Unterlagen dazu angefordert. Natürlich ist das Ausschreiben an sich öffentlich, so weit so gut. Aber ich habe auch die vier eingegangenen Angebote abgefragt. Die sind quasi-öffentlich, d.h. ich habe sie bekommen, aber eben zu 95% geschwärzt mit der Begründung, es handle sich um Betriebsgeheimnisse.

Im Sinne von “Rights for people, rules for corporations” möchte ich dagegen vorgehen.

  • es wird mit meinen Steuergeldern gehandelt
  • es wird von den Politikern entschieden, die nicht nur eventuell mein Vertrauen mal bekommen haben, sondern die sich ja auch mein Vertrauen in Zukunft erwerben sollen können
  • der Betrieb wird ja de facto von angestellten Bürgern bewältigt, die Einfluss auf ihre Arbeitsbedingungen nehmen sollen können

Betriebsgeheimnisse sind meiner Meinung nach generell Entwicklungshemmer für die Menschheit, aber die Betriebe, die im öffentlichen Dienst stehen, sollten schon dreimal keine Betriebsgeheimnisse haben dürfen. Und damit fällt mein Anliegen wohl auch in den Bereich dieser Plattform.

Wie läuft sowas in Deutschland ab?
Könnte man eine Auflösung von Betriebsgeheimnissen im öffentlichen Raum auf EU-Ebene verankern?
Ich hab mich bis jetzt noch nicht weiter informieren können zu meinen Möglichkeiten (bin voll gewerkschaftlich eingespannt… ), nehme gerne Tips und Berichte entgegen, falls wer anders zu dem Thema schon mal recherchiert hat.

Zum Hintergrund, wen’s interessiert:

Seit gut 10 Jahren darf der Reiseschienenverkehr in Schweden privat betrieben werden. Das alteingesessene früher staatlich geführte, jetzt als Aktiengesellschaft geführte SJ ist gerade noch so der grösste Schienenverkehrsbetreiber im Land. Arriva a.k.a DB Regio, Transdev ehem. Veolia, DSB First und andere betreiben einige Regionalbahnen.

SJ hat immer och den staatlichen Auftrag, Linien zu betreiben, wo sich kein anderer Anbieter findet, d.h. die nicht lohnenden Linien, es soll aber gleichzeitig um den Fernverkehr und um die lohnenden Linien in Konkurrenz mit anderen Unternehmen stehen. SJ hat bereits den Regionalverkehr in Göteborg einmal wieder übernommen nachdem DSB First durch ein zu niedriges Angebot den Verkehr gewonnen hatte und ihn dann nicht angemessen betreiben konnte.

Seit einigen Jahren ist der ausser-europäische Player MTR hinzugekommen. MTR ist aus Hongkong und drängt sich durch Verlustverträge auf den Markt, das Geld wird einfach von dem Mutterkonzern nachgereicht.

Ich möchte nicht abstreiten, dass man auch als angestellter von SJ ständig um seine tariflichen Rechte kämpfen und verhandeln muss. Aber es wird ja nicht besser, wenn das System so konfiguriert ist, dass es Gewinnmaximierung und Monopolisierung fördert und weit vor das Wohlergehen der eigenen Bürger im Allgemeinen setzt.

Das wird man niemals durchbekommen, die Entscheidung über den Umgang mit Betriebsgeheimnissen wird man letztlich immer den Mitgliedsstaaten überlassen. Daneben ist die EU was Geheimnisse angeht, auch nicht gerade bürgerfreundlich, die Lobbyisten gehen auch in Straßburg und Brüssel ein und aus, guck dir auch die ganzen Geheimabkommen an, die die EU abschließt, Investitionsgerichte, … der Schutz von Wirtschaftsinteressen steht ganz oben für die EU.

Man wird also weiterhin individuell klagen müssen, um zu prüfen, ob die Schwärzungen berechtigt sind. ier kommt es letztlich auf die Argumentation an, in manchen Fällen kann man auch ein In-Camera-Verfahren durchführen, wenn es um Verschlusssachen gibt, aber das ist immer ein Haufen Arbeit. Von der EU würde ich mir also keine Hilfe erwarten.

Nun gut, “Hilfe von der EU” erwarte ich mir nicht, ich denke schon, dass man darum hart kämpfen müsste. Wäre aber gut zu wissen, ob es dafür von den Bürgern ein Intresse gibt, oder ob es in anderen Mitgliedsstaaten schon vorbildlich gehandhabt wird oder Prozesse am laufen sind.

Man müsste ja einige Zeit investieren, erst mal nachzuforschen, welche Grundsätze auf welchen Ebenen gelten, und wie diese z.Z. dank Ellenbogen-Prinzip ungeschrieben priorisiert sind und wie man eine zweckdienliche Priorisierung angehen muss.

Aber ja, ganz klar, viel Arbeit.