Antragsablehnung aufgrund von noch nicht abgeschlossener Untersuchung

Hallo,

von einer Behörde wurde eine "Mitarbeiter*innen"befragung durchgeführt. Deren Ergebnis würde ich gerne erfahren.

Zuerst teilte mir die Behörde mit, dass die Befragung im Rahmen der Erstellung eines Brandschutzbedarfsplans erfolgte und Teil des Willensbildungsprozess ist. Der Brandschutzbedarfsplan wurde jedoch bereits verabschiedet. Nun teilete mir die Behörde mit, dass die Befragung auch Teil einer Organisationsuntersuchung ist, die aber erst in über einem Jahr abgeschlossen sein soll. Die Umfrage sei Teil des Willensbildungsprozesses.

Kann mir jemand eine Einschätzung geben, wie weit ein Willensbildungsprozess definiert ist? Darunter kann man meiner Meinung nach alles und nichts verstehen.

Lohnt sich eine Vermittlung / Klage?

Genauen Wortlaut der Ablehnung:
Befragung in der Feuerwehr (fragdenstaat.de)

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Hi @waldnah
willkommen im Forum.
Meine Einschätzung ist (und ich sehe hier den @Apoly auch tippen :-)), dass es sich bei der Erstellung der Umfrage um einen eigenen abgeschlossenen Verwaltungsakt handeln dürfte.
Aber
Jetzt ist natürlich fraglich, ob sich die Willensbildung der Behörde ändert, wenn die Ergebnisse öffentlich bekannt würden. Ich befürchte, dass kann man annehmen. Daher erscheint mir das schon schlüssig. Gegen eine Vermittlung spricht aber eigentlich fast nie was finde ich.
Eventuell wurden aber die Ergebnisse bereits innerhalb der Feuerwehr “veröffentlicht”. Dann sähe das etwas anders aus. Dann sind die ja nicht mehr im Beratungsgremium verblieben und es stellt sich die Frage, warum ein Petent, nur weil er nicht bei dieser Feuerwehr angestellt ist, diese Ergebnisse nicht sehen sollte.

Und die Fragen die da gestellt wurden, die finde ich dürften die Willensbildung nicht beeinflussen. Auf die sollte man Anspruch haben. Also alles eigentlich, außer die Ergebnisse.
Ich bin kein Rechtsanwalt, also bitte nicht als Rechtsberatung verstehen.
LG

Der gute alte § 7 Abs. 2 a) IFG NRW. Den zieht gefühlt jede Behörde in NRW heran, wenn Unterlagen auch nur im entferntesten mit einem Verwaltungsvorgang zu tun haben.

Zunächst einmal kannst du hier eine genaue Liste der vorhandenen Unterlagen anfragen. Wir wissen ja nicht einmal, was dir hier vorenthalten werden soll. So ist die Argumentation der Behörde natürlich auch nicht im entferntesten inhaltlich angreifbar. Zumindest nicht auf der Ebene von Einzelunterlagen.

Dann zum Ablehnungsgrund selbst:

Die Organisationsuntersuchung mit dem weitergehende Ziel der Organisationsoptimierung stellt einen Willensbildungsprozess dar, der Bewertungen, Meinungen oder Einschätzungen umfasst, die zunächst verwaltungsseitig intern beraten werden und somit entscheidungsoffen sind. Nach § 7 Abs. 2 IFG NW soll insofern der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden.

Der Ablehnungsgrund wurde hier klassisch missverstanden - so wie ich das sehe.

Geschützt durch § 7 Abs. 2 a) IFG NRW wären Unterlagen in denen unterschiedliche Meinungen zur Bewertung des Vorgangs in einer Behörde ersichtlich wären. Nicht geschützt sind Beratungsgrundlagen und das Ergebnis einer Beratung.

So eindeutig das OVG NRW Urteil vom 26.11.2013 - 8 A 809/12 - (auch: OVG NRW, 8 A 1679/04 und Franßen, IFG NRW, § 7 Rn. 834)

Soweit hingegen der Inhalt der Entscheidung betroffen ist, wie etwa bei der Mitteilung von Tatsachen oder Hinweisen auf die Rechtslage, ist dies grundsätzlich nicht als Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen. Nicht geschützt sind danach vor allem Unterlagen, die bloße Sachinformationen oder eine Zusammenfassung von Fakten enthalten und insofern allein Grundlage für die Willensbildung sind.

Und weiter:

Da dieser Ausschlussgrund den Zweck verfolgt, die nach außen vertretene Entscheidung einer Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden, ist jedenfalls für solche Unterlagen ein Zugangsanspruch in der Regel nicht ausgeschlossen, die weder interne Meinungsverschiedenheiten noch unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erkennen lassen.

Und selbst bei ersichtlichen Meinungsverschiedenenheiten:

Dabei ist zu beachten, dass nicht bereits jede divergierende Stellungnahme eine “Meinungsverschiedenheit” begründet. Derartige Stellungnahmen gehören nicht selten im Sinne der Zusammentragung unterschiedlicher Sichtweisen und Ansichten zu dem den eigentlichen behördlichen Willensbildungsprozess vorbereitenden Bereich, sind aber nicht unmittelbar Teil der Entscheidungsfindung der öffentlichen Stelle.

Und die Anwendungshinweise zum IFG NRW

Der Verweigerungsgrund erfasst somit nicht – wie häufig vorschnell angenommen wird – alle Informationen, die mit einem Willensbildungsprozess in irgendeinem Zusammenhang stehen. Da letztlich nahezu jede einer öffentlichen Stelle vorliegende Information in irgendeiner Beziehung zu deren Willensbildung steht, liefe das Informationsfreiheitsgesetz ansonsten praktisch leer. Geschützt sind vielmehr nur Informationen, die einen solchen Prozess inhaltlich wiedergeben. Dieser muss aus dem Informationsträger also gewissermaßen „herausgelesen“ werden können. Nicht offen zu legen sind demnach nur solche Unterlagen, an Hand derer die zum Willensbildungsprozess gehörenden Vorgänge (innerbehördliche Beratschlagungen, Diskussionen oder Anweisungen) nachvollziehbar werden.


Kurzum: Diese pauschale Ablehnung ist zweifelhaft. LDI kannst du auf jeden Fall anfragen. Außerdem würde ich eine Auflistung aller Dokumente beantragen, dessen Zugang dir verwehrt wurde. Das würde die Argumentation erleichtern, falls du Klagen willst.

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I stand corrected, wie mir scheint. Ich habe gerade auch mal in die Anwendungshinweise der LDA Brandenburg geschaut, auch dort steht es ähnlich:

Unter dem “Prozess der Willensbildung” ist ein Vorgang des gemeinsamen Überlegens, Besprechens bzw. Beratschlagens zu treffender Entscheidungen zu verstehen. Durch den Ausnahmetatbestand soll ein offener Meinungsaustausch gesichert werden. Die den Willensbildungsprozess betreffenden Aktenteile sind dauerhaft geschützt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Behördenmitarbeiter auch künftig noch bereit sind, in Willensbildungsprozessen ihre Ansicht unbefangen und unabhängig zu äußern. Siehe Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. Juni 2008, 3 K 693/07 sowie Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Akteneinsichtsrechtsgesetz, Landtags-Drucksache 2/4417 vom 5. September 1997).

Der Tatbestand des Willensbildungsprozesses ist eng auszulegen. Das Beratungsgeheimnis bezieht sich ausschließlich auf die eigentliche Beratungssituation – beispielsweise innerhalb von Gremien. Informationen, die außerhalb dieser Situation entstehen, sind davon nicht umfasst. Gutachten oder Stellungnahmen, die zur Willensbildung beitragen, stellen selbst keine Willensbildung dar. Siehe Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. November 2007, 3 K 2480/03.

Also wie @Apoly sagt.
Danke, wieder was gelernt.
LG

Auf eine Gefährdung der Entscheidung (im Gegensatz z.B. § 4 IFG) wird im IFG NRW nicht abgestellt. Es käme hier höchstens noch § 7 Abs. 1 IFG NRW in Frage. Aber dazu müsste erstmal klar sein, welche Entscheidung durch die angefragte Information unmittelbar vorbereitet würde. Hier wird ja erstens sich gar nicht darauf berufen (Gut, dass könnte die generelle Unfähigkeit in der Gesetzesarbeit bei Kommunalbehörden sein).

Und zweitens müssten hier sämtliche Informationen unmittelbar die Entscheidung vorbereiten.

Und drittens ist überhaupt nicht klar, welche Entscheidung das nun sein sollte. Eine beabsichtigte(!!) Organisationsuntersuchung? lol

So Anwendungshinweise LDI NRW dessen Lektüre ich sehr ans Herz lege.

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Schon einmal vielen Dank für die zahlreichen und detaillierten Antworten. Auf die Auflistung der einzelnen Unterlagen bin ich gar nicht gekommen.

Generell scheint die Behörde mir keine Auskunft nach IFG geben zu wollen. Ich hatte bereits vor der ersten Ablehnung mündlich Kontakt mit einem leitenden Mitarbeiter, der sich sinngemäß erkundigte, ob so eine Auskunft wirklich das ist, was ich will, erst daraufhin wurde mein Ersuchen abgelehnt.

Bevor ich da nun ein weiteres Ping-Pong mit der Behörde selbst “spiele” würde ich den LDI direkt um Vermittlung bitten.

Mache dir keine zu großen Hoffnungen auf den Informationsfreiheitsbeauftragten. Dann lieber Ping-Pong oder Dienstaufsichtsbeschwerde.

Das ist NRW. Dort habe ich relativ gute Erfahrungen gemacht, wenn eine Behörde derart pauschal und unbegründet agiert.

Alles klar. Dann ziehe ich meinen Hinweis zurück und behaupte das Gegenteil. :wink: