Notes From The Field: Landkreis Osterholz

Meine erste Untätigkeitsklage! :white_check_mark:

Ermutigt durch den Klageautomaten und mit Unterstützung von @BARCA (ein Teil seiner Hilfen findet sich leicht umformuliert in den Boxen) habe ich eine Untätigkeitsklage gegen den Niedersächsichen Landkreis Osterholz - Veterinäramt geführt. Die Behörde war bereits zu Gast im Forum.

Dieser Beitrag befasst sich nur am Rand mit der Arbeitsethik der Behörde. Gleiches gilt auch für die dort versammelte Kompetenz. Er soll überwiegend einen groben Überblick über den Ablauf einer Untätigkeitsklage im Zusammenhang mit VIG-Anfragen geben.

Wie alles begann

Der Landkreis (LK) versuchte sich mit der Anforderung von Ausweiskopien vor der Beantwortung von VIG-Anfragen zu drücken. Damit ist er in der Informationsfreiheitswüste Niedersachsen leider nicht alleine: Der Landkreis Uelzen - Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt beispielsweise versucht es ebenfalls mit dieser Strategie.

“Wenn das Theaterstück schlecht ist, der Film schwach, das Hörspiel nichtssagend, steigere die Lautstärke.” – Ray Bradbury in Fahrenheit 451.

Hinsichtlich VIG-Anfragen interpretiere ich das als:

  • Anrufung der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen (LfD)
  • Anfragen im 30-Tage-Rhythmus an das rechtswidrig handelnde Veterinäramt (nach der 3/90-Regel von FragDenStaat)
  • UIG-Anfragen an die untätige Behörde

Auch nach Untersagung durch die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (siehe Anfrage Kontrollbericht zu Nordfrost GmbH & Co. KG) konnte oder wollte sich die Behörde nicht zur Bearbeitung von VIG-Anfragen durchringen.

Sie stellt sich tot. Mausetot. Es folgen Nachfragen. Per E-Mail. Per Fax. Weitere Anfragen, Nachfragen, … keine Reaktion. Die Leichenstarre dauert an. Bis hierher: Nichts Neues. Niedersächsisches Standardverhalten.

Auftritt Klageautomat von FdS (FragDenStaat). Aufrufen, Ausfüllen, Abschicken. So weit, so einfach.

In vielen Kommentaren des Forums ist zu lesen: Dann initiiere halt eine Untätigkeitsklage, die wirst du gewinnen. Das ist alles ganz einfach. Go for it.

Stellt sich raus: So einfach war es dann auch wieder nicht. Und den einen oder anderen Tipp solltet ihr beherzigen. Vor allem müsst ihr drei Dinge mitbringen: Etwas Spielgeld … und … Zeit … und … Leidensfähigkeit.

Spielgeld, weil ihr eine Vorauszahlung an das zuständige Verwaltungsgericht leisten müsst. Zeit, weil sich Untätigkeitsklagen über viele Monate hinziehen. Leidensfähigkeit, weil ihr mit absurd-abstrusen Behördenschurbeleien konfrontiert werdet, auf die ihr auch noch reagieren dürft (siehe Zeit).

Doch nun los mit einer ersten Schritt-für-Schritt-Anleitung: Untätigkeitsklagen für Dummies.

Alle Dokumente der Untätigkeitsklage habe ich bei der Anfrage Kontrollbericht zu Barnstorff, Ritterhude veröffentlicht. Abweichend von meiner sonstigen Faulheit bei Dokumentenveröffentlichungen habe ich bei einigen Schreiben sogar eine Texterkennung auf die Inhalte losgelassen.

Schritt 1

Anmeldung bei FragDenStaat und Aufruf eurer Anfrage.

Schritt 2

Den Reiter “Klage prüfen” aktivieren und dort die Automatische Klageprüfung wählen. Einzelschritte des Assistenten abarbeiten.

Ergebnis ist ein Klagenentwurf. Dieser kann als PDF-, Word- oder HTML-Dokument heruntergeladen werden.

Wenn alles passt: Ausdrucken, eintüten, frankieren und absenden.

Tipp: Zuständiges Gericht über das Orts- und Gerichtsverzeichnis überprüfen. In Schleswig-Holstein ist das etwas komplizierter. Es folgt ein separater Beitrag, sobald die Dumpfbacken des Kreises Nordfriesland, Fachdienst Veterinärwesen, (hoffentlich) mit meiner Untätigkeitsklage zu Kontrollbericht zu Gänsehof Kai Petersen niedergerungen wurden.

Anmerkung: Inzwischen bin ich dazu übergegangen, den Inhalt des Klageentwurfes in eine eigene Dokumenten-Vorlage zu kopieren. Dann passt etwa die Position des Adressfeldes und es ist eine bedruckte Seite weniger. Ausserdem fehlen einige Satzzeichen in der generierten Klageschrift.

An dieser Stelle fülle ich bereits eine Tabelle mit folgenden Informationen: Portokosten und Anzahl der ausgedruckten Seiten. Diese Tabelle wird mit jedem meiner Schreiben erweitert. Das wird nach Verfahrensabschluss bei der Kostenrechnung Zeit einsparen.

Zeitgleich hat sich die Behörde zur Versendung einer Eingangsbestätigung entschlossen. Das hat auf den weiteren Verlauf jedoch keinen Einfluss.

Schritt 3

Das Gericht bestätigt den Klageeingang und sendet eine Kostennote über 483 €. Wesentliche Inhalte des Klageeingangs:

  1. Es fehlte die in der Klageerhebung genannte Anlage.
  2. Für wen wird die Klage erhoben?
  3. Bestehen Bedenken gegen die Übertragung des Verfahrens auf ein:e Einzelrichter:in?
  4. Wird auf mündliche Verhandlung verzichtet?
  5. Fragen zum Betreiber des angefragten Betriebes.

Zu 1: Peinlich. Ich habe den vom Klageautomaten generierten Text nur überflogen, die fehlende Anlage nicht bemerkt und die Klage unvollständig abgesendet. Das Gericht hat unbürokratisch eine Abhilfe ermöglicht.

Zu 2: Für mich. Die Klageerhebnung in dritter Person war bei anderen Verwaltungsgerichten bisher kein Thema.

Zu 3: Bei dieser Klage habe ich mich gegen einen Einzelrichter entschieden.

Bei einer reinen Untätigkeitsklage dürfte nichts gegen die Übertragung auf Einzelrichter sprechen. Anders sieht es aus, wenn die Klage als kombinierte Verpflichtungsklage formuliert ist, also in der Klage gleichzeitig auch die Herausgabe der Dokumente beantragt wird. Hier muss dann abgewogen werden, ob es nicht mehr Sinn macht, die Sache vor der Kammer zu verhandeln. Wenn es aber wirklich nur um die Untätigkeit geht, dann ist das eigentlich wesentlich schneller, wenn man sich mit einem Einzelrichter “begnügt”.

Zu 4: Ich verzichtete auf eine mündliche Verhandlung.

Zu 5: Mehr Informationen hatte ich auch nicht. Das Gericht war gut vorbereitet.

Schritt 4

Es folgt für diese Übersicht nicht wirklich relevantes Geplänkel zwischen den Parteien:

- Du bist schuld.
- Nein du!
- Er hat anfangenen.
- Nein, sie hat begonnen!
- Du bist doof!
- Selber blöd!elf11

Da der Beklagte die angeforderten Informationen nach Klageerhebung geliefert hat, konnte ich die Klage für erledigt erklären und beantragen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Wichtig: Klage für erledigt erklären, nicht zurückziehen! Die Kosten sind vom Beklagten zu tragen!

Der LK Osterholz hat dann nachgegeben und damit seine Schuld eingeräumt. Selbstredend ohne Anerkenntnis derselben.

Fun Fact: Zuerst adressierte ich die Gegenseite als “die Beklagte” (die Behörde), dann wechselte ich auf “der Beklagte” (der Landkreis). Warum? Ich habe da einfach den Beklagten kopiert.

Schritt 5

Das Gericht bittet um Mitteilung darüber, wohin der nicht verbrauchte Teil der Vorleistung überwiesen werden soll. Es informiert weiterhin darüber, dass der Rest vom Beklagten erstattet werden muss.

Schritt 6

Bitte um Ausstellung einer vollstreckbaren Ausfertigung mit Zustellungsklausel gegen den Beklagten über den von ihm zu erstattenden Betrag zuzüglich meiner Kosten für Porto und Kopien.

Wenn die Gegenseite alle Kosten zu tragen hat, musst nach der Zustellung des Beschlusses mit der Kostengrundentscheidung bei Gericht ein “Kostenfestsetzungsantrag” (§164 VwGO) gestellt werden.

In diesem Antrag listet man alle Kosten auf, lässt die Gerichtskosten hinzusetzen und beantragt, diese Kosten gegen die Beklagte festzusetzen. Danach wird die Gegenseite noch einmal angehört (um sich ggf. gegen strittige Kosten wehren zu können) und dann erlässt das Gericht den so genannten Kostenfestsetzungsbeschluss.

Wenn beim Kostenfestsetzungsantrag gleich beantragt wird, den Kostenfestsetzungsbeschluss als “vollstreckbare Ausfertigung mit Zustellungsklausel” zukommen zu lassen, bekommt man einen fix und fertigen Vollstreckungstitel gegen die Behörde und spart sich den Aufwand (und die Kosten) den Beschluss selbst der Gegenseite zustellen zu müssen.

Zu den ansetzbaren Kosten:

Anwälte dürfen Porto- und Kopierpauschalen abrechnen, Privatpersonen müssen quasi jede Briefmarke einzeln auflisten – und die Kosten nachweisen.

Bei Kopien kommt es auf das Gericht an. Manche Gerichte verlangen auch Nachweise für die Kopiekosten (z. B. durch Rechnungen eines Copy-Shops), andere sind da liberaler und akzeptieren auch Pauschalen, wenn diese angemessen erscheinen (z. B. 10 Cent pro DIN A4-Seite schwarz-weiß). Einfach versuchen, die gleichen Kosten geltend zu machen, die auch Zeugen und Sachverständige berechnen können (50 Cent pro DIN A4-Seite für die ersten 50 Seiten, jede weitere Seite dann 15 Cent).

Wenn das durch das Gericht oder die Gegenseite beanstandet wird, einfach “Ich bin damit einverstanden, dass das Gericht die Kopiekosten im Ermessen des Gerichts kürzt.” an das Gericht schreiben.

Kein nerviges Eintreiben bei zahlungsrenitenten Behörden. Das ist quasi eine in die Verwaltungsgerichtsordnung eingebaute Gerichtsvollzieherin zur persönlichen Verfügung. :smiley:

Zur Ausstellung kam es nicht, da der Beklagte die Kosten proaktiv anerkannte und mir überwies.

Erinnert ihr euch noch an die Tabelle mit den Portokosten und der Anzahl der Druckseiten? Dadurch habt ihr euch Rätselraten über die Portokosten (je Schreiben 0,85 €, 1,00 €, 1,60 €?) und die Anzahl der Druckseiten (je Schreiben 7, 41, 83?) erspart.

Lessons Learned

Meine Anfängerfehler waren kein Problem. So konnten beispielsweise fehlende Anlagen (sowohl beim Kläger, als auch beim Beklagten) auf Anforderung nachgereicht werden.

Das Niveau der Erwiderung des Beklagten war unterirdisch. Ich vermute, dass dessen Geschwurbel einfach zum Ritual einer gerichtlichen Auseinandersetzung gehört. Das mit Abstand beste Argument der Gegenseite war, “dass der Kläger von sich, obwohl natürliche und nicht rechtsanwaltlich vertretene Person, in der dritten Person spricht”. Der Rest: Heiße, schale Luft.

Wahrscheinlich habe ich zuviel Aufwand in meine Erwiderung gesteckt. Eventuell wäre eine wesentlich kürzere Antwort ausreichend gewesen.

Zu einem Urteil kam es nicht, weil der Beklagte aufgegeben hat. Das ist schön, weil es nun (hoffentlich) noch andere Fälle geben wird, über die ich berichten kann.

Insgesamt waren (Stand heute) nur 34 Korrespondenzen erforderlich. :wink:

Und weiter?

Nachdem der LK Osterholz mein Konto wieder aufgefüllt hat, habe ich die nächste Untätigkeitsklage eingereicht: Jetzt geht es gegen den Landkreis Vechta - Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung. :face_vomiting:

So wird es weitergehen, bis jede vrfckt Niedersächsische Behörde gelernt hat, meine VIG-Anfragen korrekt zu beantworten.

Ob der Landkreis Osterholz seine Auskuftspraxis grundsätzlich ändert, oder nur meine Anfragen beantwortet, kann ich nicht beurteilen. Das müsst ihr schon selbst herausfinden. Betriebe dafür gibt es dort in ausreichender Anzahl. :wink:

Danke für eurer Interesse!

Frage an FdS: Nach dem Aufwand für die Klage würde ich gerne die Anfragesteller:innen aller bisher nicht beantworteten oder abgelehnten Anfragen bei dieser Behörde aufwiegeln. Die neue Informationsfreiheit des Landkreises Osterholz sollte genutzt werden. Gibt es neben den Kommentaren eine weitere Möglichkeit hierzu?

Bonusaktion: Nach Veröffentlichung dieses Beitrags werde ich einen Link darauf an einige Lokalblätter senden. Wär doch schön, wenn die Landkreisbewohner:innen von den neuen Möglichkeiten erfahren würden. Dort hat sicherlich nicht jede:r das FdS-Druck-Erzeugnis abonniert. :joy:

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Danke für deine Arbeit! :slight_smile: Die Veröffentlichung der Dokumente ist klasse für Nachahmer!

Sehr spannend das alles hier mal super ausgeführt zu lesen. Vielen Dank für die Arbeit (und Respekt das du dafür so viel Zeit hast!).

Vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht! Ich habe nun schon viele Untätigkeitsklagen erhoben (zweistelliger Bereich) und habe ziemlich genau die gleichen Erfahrungen gemacht.
Als Ergänzung will ich noch darauf hinweisen, dass bei der Abrechnung von Auslagen im Zusammenhang mit einer mündlichen Verhandlung besondere Vorsicht geboten ist. Weil mit Fahrtkosten und einer Hotelübernachtung hohe Kosten anfielen, schaute die Beklagte im Kostenfestsetzungsverfahren bei mir genau hin. Weil ich versehentlich einen Fehler gemacht hatte, schreiben wir da jetzt schon ewig hin und her und die Gegenseite droht sogar mit einer Strafanzeige. Naja, getroffene Hunde bellen… Trotzdem macht das echt keinen Spaß. Rückblickend würde ich für eine mündliche Verhandlung einen Anwalt mandatieren, der sich um den Mist kümmert.

Allgemein sind die Verfahren aber ziemlich simpel, die Gerichte hilfsbereit und die meisten Behörden vor Gericht dann doch plötzlich einsichtig.

Gegen Osterholz klage ich auch gerade. Der von dir erwähnte Landkreis Vechta wird vermutlich auch bald Gerichtspost bekommen.
Da frage ich mich, welche Behörden noch so alles langsam bzw. gar nicht arbeiten. Ich hätte Lust, ein paar davon auf die Sprünge zu helfen :wink:

Du könntest in ganz Berlin mit den Bezirksämtern anfangen :grin:

Danke für den Tipp! Die hab ich mir tatsächlich erst kürzlich vorgenommen :grin:
Pankow hat ein eigenes Portal, weshalb ich nur 11 Bezirksämter mit VIG-Anträgen angefragt habe. 8 davon haben rechtzeitig geantwortet. Eine Klage ist genau heute fällig und bei den übrigen 2 Anfragen läuft die Klagefrist bald ab.
Ich mach zu dem Thema aber besser bald einen eigenen Thread auf, um hier beim Ursprungsthema zu bleiben.

Ich habe da schon einmal etwas vorgearbeitet.

Bezirke, die inwischen meine VIG-Anfragen erwartungskonform beantworten:

  • Mitte von Berlin
  • Neukölln
  • Reinickendorf
  • Spandau

Das lief natürlich nicht von Anfang an reibungslos. :wink:

Bezirke, die bereits geliefert haben, bei denen es aber noch (etwas) knirscht:

  • Charlottenburg-Wilmersdorf (erhebliches Verbesserungspotential)
  • Friedrichshain-Kreuzberg (verzichtet inzwischen auf den Rückmeldebogen; hohe Rückstände)
  • Marzahn-Hellersdorf (durchwachsen)
  • Steglitz-Zehlendorf (es ist Licht am Ende des Tunnels zu erkennen)
  • Tempelhof-Schöneberg (das wird vermutlich noch)

Ein Bezirk, der noch gänzlich untätig ist:

  • Lichtenberg

Zuletzt noch der Bezirk, dessen Arbeitsverweigerungshaltung konkurrenzlos ist:

  • Treptow-Köpenick (Ausweiskopie, “Widersprüchlichkeit”, Geschwurbel, …) :face_vomiting: :face_vomiting: :face_vomiting:

Die spielen in einer eigenen Liga, was Unlust und Unvermögen betrifft. Sollte dieses Bezirksamt eines Tages vom Erdboden verschluckt werden, wird das den Berliner:innen in den ersten Jahren vermutlich gar nicht auffallen. :joy:

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