IFG-Wunschzettel 2021

Eine neue Bundesregierung wird gerade verhandelt. Weihnachten steht an. Idealer Zeitpunkt also, um einen “IFG-Wunschzettel” zusammenzubasteln.

Was sind eure Vorschläge aus der Praxis, wie das Informationsfreiheitsgesetz (Bund) verbessert werden sollte?

Am Besten wären natürlich Vorschläge, die halbwegs realistisch umsetzbar sind. Gerne, aber nur wenn ihr wollt, auch schon teilweise ausformuliert.

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Ich fange mal an: Beitritt Tromsö-Konvention. Braucht’s dafür den Bundesrat? Weiß das jemand?

Unabhängig von anderen Reformen würde das dafür sorgen, dass auch Bayern und Niedersachsen endlich Informationszugang ermöglichen müssen. Auch setzt es einen dauerhaften Mindeststandard, der nicht mehr unterschritten werden kann.

EDIT: Gemeint war die Tromsö-Konvention

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Ich fange mal an mache weiter mit ganzen vier Vorschlägen, die mir schon bei der Erstellung des Threads durch den Kopf gegeistert sind:

1. Lex Twitter – Klarstellung des Begriffs “amtliche Informationen”

Wie schon hier vorgeschlagen, sollte das heutige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Anlass genommen werden, klarzustellen, was “amtliche Informationen” eigentlich sein sollten. Behörden sollen nicht in die Benutzung privater (oder allg. nichtstaatlicher) Anbieter flüchten können dürfen, um sich ihrer Informationspflicht zu entziehen. Es gibt keinen Grund, zwischen Informationen zu unterscheiden, die der Behörde z. B. per E-Mail oder per Post zugehen und solchen, die ihr über moderne Kommunikationsmittel zugehen. Ausschlussgründe nach §§ 5, 6 IFG regeln bereits ausreichend den Schutz der sendenden Dritten. Eine Abstufung des Auskunftsrechts nach vermeintlicher “Relevanz” ist mit dem Grundsatz des voraussetzungslosen Anspruchs nicht vereinbar und lädt zu Willkür und Missbrauch ein.

Daher schlage ich vor, § 2 IFG wie folgt neu zu fassen (mit leichten Änderungen zum verlinkten Beitrag):

§ 2 IFG - Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist

  1. amtliche Information: jede Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung oder ihrer Bedeutung, auf die die Behörde im Sinne des § 1 Absatz 1 dieses Gesetzes unmittelbar Zugriff hat, mit Ausnahme von Entscheidungsentwürfen, solange die Entscheidung noch nicht ergangen ist, und von Notizen, die ausschließlich der persönlichen Unterstützung dienen; ein unmittelbarer Zugriff wird unwiderleglich vermutet, wenn die Behörde über die Informationen verfügen kann oder die Informationen in Akten oder sonstigen amtlichen Aufzeichnungen enthalten sind, die bei der Behörde vorliegen;

  2. Dritte: alle Personen, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen, außer diese Informationen sind in der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit oder im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angefallen.

2. Fristen

Das IFG braucht eine bessere Regelung der Fristen. Die Monatsfrist wird von Behörden, selbst solchen die in der Regel vergleichsweise informationsfreundlich sind, quasi in jedem IFG-Verfahren gerissen. Die Einhaltung der Monatsfrist muss für die Behörde zu einer prozessualen Obligation werden, deren Verletzung für die antragstellende Person im weiteren Verfahren Vorteile hat. Außerdem ist das IFG-Recht wegen der Möglichkeit der Behörde, das Verfahren quasi unbegrenzt in die Länge zu ziehen, für Gegenstände die zeitkritisch sind (z. B. aktuelle Debatten) vollkommen nutzlos.

Daher schlage ich folgendes vor:

  1. § 7 Absatz 5 wird gestrichen.

  2. Es wird folgender § 7a eingefügt:

    § 7a – Antwortfrist

    (1) Die Entscheidung über den Antrag hat unverzüglich, spätestens binnen eines Monats nach dem Zeitpunkt des Zugangs des Antrags bei der Behörde zu ergehen. § 8 bleibt insoweit unberührt.

    (2) Die Entscheidung hat auf das ausdrückliche Verlangen der antragstellenden Person spätestens binnen einer Woche zu ergehen, wenn eine schnelle Entscheidung wegen besonderen Gründen erforderlich ist, insbesondere wenn

    1. der Gegenstand des Antrags Gegenstand der Tagesberichterstattung oder der öffentlichen Meinungsbildung ist;
    2. oder eine spätere Entscheidung zu schweren, nicht mehr wieder gutzumachenden Nachteilen für die antragstellende Person führen würde.

    Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 verkürzen sich in einem solchen Falle

    1. die Frist für die Stellungnahme des Dritten (§ 8 Absatz 1) und
    2. die Frist, binnen derer die Entscheidung nicht vollzogen werden darf, (§ 8 Absatz 2 Satz 2)

    auf jeweils eine Woche; Widerspruch und Anfechtungsklage haben in diesem Falle keine aufschiebende Wirkung.

    (3) Gibt die Behörde in der nach Maßgabe der vorstehenden Absätze bestimmten Antwortfrist ihre Entscheidung nicht an die antragstellende Person bekannt, so ist die Untätigkeitsklage abweichend § 75 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung zulässig. Liegen die Voraussetzungen des Absatz 2 Satz 1 vor, so wird in Verfahren nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs vermutet.

  3. In § 9 Absatz 1 wird das Normzitat auf den neuen § 7a korrigiert.

Idee dahinter:

Absatz 1 enthält zur bisherigen Regelung keine Neuigkeiten.

Absatz 2 enthält eine Regelung, die in “Eilfällen” eine schnellere Entscheidung festlegt (z. B. bei aktuellen öffentlichen Diskussionen oder vor Wahlen). Dabei hat die Entscheidung binnen einer Woche, in Drittbeteiligungsverfahren binnen zwei Wochen zu ergehen.

Absatz 3 regelt die Obligationen der Behörde. Bei Verstreichenlassen der Antwortfrist ist sofort die Untätigkeitsklage statthaft. Ein Eilantrag benötigt keinen besonderen “Anordnungsgrund” mehr, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 vorliegen.

3. Kosten

IFG-Verfahren sind leider häufig immer noch kostenpflichtig, obwohl das der Ausübung von Auskunftsrechten schadet und zu Intransparenz führt.

Daher schlage ich vor:

  1. Für Verfahren nach dem IFG werden grundsätzlich keine Gebühren und Auslagen erhoben.

  2. Bei besonders umfangreichen Anträgen, deren Bearbeitungsaufwand eine Zeit von 10 Stunden überschreitet, können Gebühren von bis zu 500 Euro für den Zeitaufwand verlangt werden, der die 10 Stunden überschreitet.

  3. Von Gebühren ist abzusehen, wenn diese unbillig wären, insbesondere wenn der Antragsgegenstand von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit wäre, oder, wenn die antragstellende Person sonst vom Auskunftsrecht ausgeschlossen wäre und der Antrag nicht mutwillig ist.

Nachtrag:

  1. Es sollte eine gesetzlich ausdrücklich normierte Verpflichtung geben, die antragstellenden Personen vorab relativ genau über die Kosten zu informieren und ihnen die Rücknahme, Einschränkung oder Präzisierung des Antrags anzubieten, widrigenfalls sollten Kosten nicht erhoben werden dürfen.

4. BfDI

Der BfDI muss dringendst gestärkt werden. Sowohl in personaler Hinsicht, als auch mit Blick auf seine Kompetenzen. Sein stärkstes Schwert ist momentan eine “Beanstandung”, was nicht mehr als ein Vermerk in das Klassenbuch für unartige Bundesbehörden ist.

Daher schlage ich vor, eine der folgenden Kompetenzen hinzuzufügen:

  1. Der BfDI bekommt das Recht, gegenüber den Behörden die Herausgabe der begehrten Informationen anzuordnen. Wenn diese damit unzufrieden sind, müssten sie gegen den BfDI klagen.

  2. Der BfDI wird Widerspruchsbehörde für alle IFG-Bescheide von Bundesbehörden. Damit würden alle Widersprüche über seinen Tisch laufen.

  3. Vor Erlass eines Widerspruchsbescheids, durch den das Informationsbegehren abgelehnt wird, muss der BfDI angehört werden. Er hat das Recht, gegen den Widerspruchsbescheid zu klagen.

Ferner sollte der BfDI insoweit erheblich personell gestärkt werden. Außerdem sollte die Anrufung des BfDI die Widerspruchsfrist hemmen.

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“mutwillig”? Soll das “missbräuchlich” heißen?

Die Regel, dass amtliche Informationen grundsätzlich herauszugeben sind, gibt es im Bund und vielen Ländern schon seit mehr als zehn Jahren. Wenn ich die FDS-Statistik richtig in Erinnerung habe, sind aber nur 27% der Anfragen über FDS erfolgreich.
An Regeln mangelt es anscheinend nicht, sondern eher an Behörden, die sie umsetzen und Gerichte, die sie durchsetzen.
Mein Wunsch: Behörden im Umgang mit Informationsfreiheit schulen. Informationsfreiheit bekannter machen. Nicht nur kennen viele Behörden den Grundsatz der Informationsfreiheit nicht, sondern auch viele Bürger. Behörden mit Zeit und Mitteln ausstatten, um Anfragen beantworten zu können. Vielleicht braucht es neben lokalen Datenschutzbeauftragten auch lokale Informationszugangsbeauftragte.

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Jein. Mutwillig ist ein Begriff aus dem Gebiet der Prozesskostenhilfe (vgl. §§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO) und hängt schon irgendwie mit dem Konzept von “Rechtsmissbrauch” zusammen, ist aber etwas anderes. Rechtsmissbrauch ist, wenn ich einen Antrag aus Gründen stelle, die von der Rechtsordnung missbilligt werden. Das ist ein Grund, den Antrag abzulehnen. Mutwillig ist, wenn der Antrag von einer vernünftigen durchschnittlichen Person in gleicher Lage nicht gestellt würde, wenn diese die Kosten selber tragen müsste. Das ist nur ein Grund, die “Beihilfe” in Bezug auf die Kosten zu versagen, nicht aber den Antrag abzulehnen. Die Idee ist, dass der Staat, selbst wenn der Antrag begründet ist, nicht “jeden Quatsch” zahlen sollen muss.

Vielleicht hilft auch ein Beispiel. Wenn ich Anträge stelle, um die Behörden “mit Anfragen zu fluten” und sie in ihrer Arbeitsfähigkeit zu beeinträchtigen, handele ich rechtsmissbräuchlich. Wenn ich unzählige Anfragen erkennbar ohne Grund, Anlass, Informationsinteresse oder Zusammenhang stelle, wäre das mutwillig.

Kurze Korrektur: Gemeint war Tromsö und nicht Aarhus. Aarhus sind wir beigetreten und normiert das UIG. Tromsö ist notwendig um Bayern, Niedersachsen, Hessen die Informationsfreiheit beizubringen.

In dem Zuge muss unbedingt die Verfügungsgewalt § 7 IFG fallen - diese konterkariert sonst den “unmittelbaren Zugriff”. Dieser Passus wird in letzter Zeit immer häufiger als Ablehnungsgrund herangezogen. Ein Auswuchs, dem Prof. Schoch vehement ablehnt und der gesetzlich abgestellt gehört.

IFG Alt

(1) Über den Antrag auf Informationszugang entscheidet die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist.

IFG Neu

(1) Über den Antrag auf Informationszugang entscheidet die Behörde, bei welcher die begehrten Informationen vorhanden sind.

Super Ideen. So könnte es klappen.

Das TransG Sachsen hat die Grenze 600 €. 500 € sind zumindest ein guter Anfang.

Blick ins Ausland:

https://www.legislation.gov.uk/uksi/2004/3244/regulation/3/made
https://www.legislation.gov.uk/uksi/2004/3244/regulation/4/made

UK hat für “oberste” Behörden" 600 Pounds. Sonstige (Unter)behörden (Also quasi Kreise, Länder, Kommunen) 450 Pounds.

Die Stunden werden mit einer Flat Rate von 25 Pounds angesetzt. Somit sind für oberste Behörden 24 h Bearbeitungszeit kostenfrei.

Dies würde bei deutschen Behörden eher 2000 € entsprechen, wenn wir den normalen Stundenlohn aus den Verordnungen ansetzen. Ich halte das für in Ordnung. Oder wir berechnen pauschal je Stunde 25 € - dann reichen 500 € als Grenze.

Die Vor-Ort-Einsichtnahme sollte in jedem Fall kostenfrei sein (nach Beitritt Tromsö wäre es ohnehin Pflicht)

Außerdem ist klargestellt, welche Dinge zeitlich zählen:

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Ah ja genau. Das mit dem Beitritt zu dem Abkommen ist sicher eine gute Idee.

Gute Anmerkung. Verfügungsgewalt ist ja nur einer der Möglichkeiten, wie “unmittelbarer Zugriff” angenommen werden kann. Klar, § 7 IFG sollte dann entsprechend umformuliert werden.

Interessant. Das scheint also vom Konzept im UK relativ ähnlich zu meinem Vorschlag zu sein. Vielleicht sollte man noch klarstellen, dass die “Überstunden” aber nicht mit einem bestimmten Faktor umgerechnet werden dürfen und anschließend bei 500 Euro gekappt werden (auch erst kürzlich vom BVerwG zugelassene Gebührenpraxis :/), sondern dass da immer noch “Gebührengerechtigkeit” vorliegen muss. Wenn eine Anfrage, die 40 Stunden Arbeitszeit verursacht, z. B. den Höchstsatz von 500 Euro kostet, so darf eine Anfrage, die nur 11 Stunden Arbeitszeit verursacht ja nicht ganze 50 Euro oder so kosten, sondern vielleicht nur 5-20 Euro.

Das stimmt. Wobei man das auch durch eine einfache Formulierungswahl gut regeln kann. Also quasi “… fallen Gebühren an für erforderliche Amtshandlungen, die der antragstellenden Person zugerechnet werden können” oder so ähnlich. Vielleicht, da das beim VIG teilweise von den Behörden angedroht wurde, bestimmen, dass die Kosten von Streitigkeiten mit Dritten nicht den antragstellenden Personen auferlegt werden dürfen.

Ich halte dies für die einzige sinnvolle Variante. Die 2. Variante ist zwar sogar noch effektiver, aber das wird nicht umsetzbar sein. Der BfDI ist auch eben nicht so wirklich thematisch immer drin. Rechtlich würde Variante 2 sicher auch enorme Hürden darstellen (Eventuell verfassungsrechtlich)

Variante 3 entspricht ein wenig dem HmbTG. Diese Variante halte ich für zu schwach und würde extremst selten genutzt werden.

Somit bleibt Variante 1. Außerdem muss klargestellt werden, dass der BfDI sich Unterlagen jederzeit während einer Vermittlung hinzuziehen darf, um sie zu bewerten. Einzig bei Unterlagen, die das Wohl des Bundes etc. betreffen kann der BfDI die Einsicht vor Ort vornehmen. Abgelehnt werden darf dies aber nicht.

Der Rechtsweg selbst ist m.E. auch zu lang. Die Methodik in der Schweiz halte ich für interessant: Fedlex

Eine positive Empfehlung kommt hier im Grunde einer Anordnung gleich, da die Behörde dann dagegen klagen (Beschwerde einreichen) muss. Und dies relativ schnell.

EDIT: Die Behörde erlässt eine Verfügung (Also einen Bescheid). Da muss ich mich also korrigieren. Eine Anordnungsbefugnis gibt es auch dort nicht (Schweiz).

Ich halte die Befugnis aber für enorm wichtig, da sie die Behörde zur Klage zwingt und es gar kein Kostenrisiko mehr für den Antragsteller gibt.

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