Hilfe zur Widerspruchsbegründung: Begleiterhebungsdaten Medizinalcannabis

Hi zusammen,

aus denselben Forschungsdaten lassen sich unterschiedliche Ergebnisse interpretieren. Zu der von 2017 bis 2022 durchgeführten wissenschaftlichen Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln liegt zwar inzwischen eine Auswertung seitens der Behörde vor, ich interessiere mich jedoch für die anonymisierten Datensätze hierzu. Daraus lassen sich dann ggfs. weitere Erkenntnisse gewinnen. Meine IFG-Anfrage wurde nun jedoch abgelehnt, siehe: Anonymisierte Datensätze der Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln - FragDenStaat

Begründung: Es läge eine besondere fachgesetzliche Zweckbindung aus § 31 Abs. 6 SGB V, Satz 7 hinsichtlich der Datenverwendung vor, die Vorrang vor dem IFG habe und eine Verwendung außerhalb der Behörde (des BfArM) ausschließe. Darin steht insbesondere:

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten.

Nun kann ich Widerspruch gegen den Bescheid einlegen und/oder den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit um Vermittlung bitten. Ich tendiere erstmal zum Widerspruch. So oder so braucht es nun eine möglichst gute Begründung. Ich würde argumentieren, dass:

  • die Formulierung im SGB nicht als Ausschlusstatbestand formuliert ist
  • die Daten bereits in anonymisierter Form vorliegen
  • kein Ausschlusstatbestand nach dem IFG benannt wurde
  • es im Sinne des Gesetzgebers sein dürfte, dass die Begleiterhebungsdaten nach einer Bereitstellung, ohne Kosten für diesen, für weitere Forschungs- und Recherchearbeiten genutzt werden können

Würde mich über konstruktive Meinungen und weitere Möglichkeiten zur Widerspruchsbegründung sehr freuen!

Moin,

es wird hier wohl auf § 1 Abs. 3 IFG abgestellt. Dieser normiert, dass spezialgesetzliche Regelungen vorrangig sind, wenn sie den “Zugang zu amtlichen Informationen” regeln.

Leider wird diese Einschränkung immer wieder genutzt, um selbst die hanebüchensten Sätze in Gesetzen als Regelung über den Informationszugang zu betrachten.

Zuletzt hier in Hamburg sehr ähnlich:

Ich würde auf jeden Fall zusätzlich zu einer Vermittlung mit dem BfDI raten. Die Regelung könnte man als Geheimhaltungsvorschrift (eher nicht, aber dazu später mehr) lesen. Jedoch muss sich der Zwang zur Geheimhaltung aus anderen Ausnahmen des IFG ergeben - z.B. Schutz Personendaten, Betriebsdaten oder besonderen Amtsgeheimnis etc.

Das ist hier aber überhaupt nicht eindeutig. Eher könnte man die Regelung als allgemeine Bindung für die Behörde lesen, die aber durch speziellere Gesetze (hier dann das IFG) auch durchbrochen werden kann. Aber nicht z.B. durch eine Verordnung/einen Erlass der besagt, dass man die Daten z.B. nun verkaufen darf.

Verweisen würde ich auf Schoch, IFG, 2. Auflage, § 1 Rn. 379

"Soweit das Fachrecht Geheimhaltungsvorschriften, Verschwiegenheitspflichten u.ä. normiert, wird im Schrifttum in Betracht gezogen, dass die Anwendung des IFG ausscheiden könnte. Die einschlägigen Regelungen betreffen z.B. die Verschwiegenheitspflicht der bei der BaFin Beschäftigten (§ 9 KWG, § 8 WpHG), die Schweigepflicht der im Dienste der Deutschen Bundesbank stehenden Personen (§ 32 BBankG), die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch die Kartellbehörde (§ 72 Abs. 2 GWB) und die Vergabekammer (§ 111 Abs. 2 GWB) oder das Steuergeheimnis (§ 30 AO).

Derartige Vorschriften mögen im konkreten Fall dem Anspruch auf Informationszugang entgegenstehen (vgl. z.B. § 3 Nr. 4, § 6 Satz 2), sie sind selbst aber keine „anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen“ i.S.d. § 1 Abs. 3, da Regelungsgegenstand jener Geheimhaltungsvorschriften (Rn. 379) ein Informationszugangsanspruch gar nicht ist. Folglich kann von ihnen keine Sperrwirkung ausgehen. Deshalb sind z.B. auch die Geheimhaltungsvorschriften der §§ 35 Abs. 1 S. 2, 91 Abs. 7 S. 7 SGB V keine (vorrangigen) Informationszugangsregelungen i.S.d. § 1 Abs. 3 IFG. Dasselbe gilt für die Datenschutzregelung des § 21 Abs. 3 KHEntG und die Vertraulichkeitsbestimmung des § 17b Abs. 2 S. 8 Hs. 2 KHG."

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@Apoly Vielen Dank für die Tipps! Ich habe diese berücksichtigt.

@Apoly & Alle: Nun habe ich vom Bundesdatenschutzbeauftragten, nach einer Wiederholung bereits vorgebrachter Einwände des BfArM, nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Ich frage mich, inwieweit es sinnvoll ist, nun nochmal bereits vorgebrachtes zu wiederholen und was ich ggfs. noch neues hierzu schreiben könnte. Was meint ihr?

Aktuell bin ich geneigt folgendes zu schreiben:
„Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten bleibt durch die bereits erfolgte Anonymisierung der Daten gewahrt. Da ein Weitergabeverbot der anonymisierten Datensätze nicht geeignet ist, der vom Gesetzgeber erwünschten Forschung mit dem Ziel “möglichst umfassende Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu gewinnen” (Zitat aus Drucksache 18/8965 vom 28.06.2016, S. 32) Rechnung zu tragen, erhebt sich die Frage, ob ein solches Verbot verfassungswidrig wäre und ob es überhaupt der Forschungszweckbindung widerspreche, wenn die anomyen Datensätze auch anderen Forschenden zur Verfügung gestellt wird. Es ist bekannt, dass es eine Ergebnisveröffentlichung seitens des BfArM gibt. Es ist auch bekannt, dass oftmals aus gleichen Basisdaten unterschiedliche Ergebnisse von unterschiedlichen Forschenden interpretiert werden können. Zudem erhöht es die wissenschaftlicher Arbeit, wenn Validität und Objektivität durch die Scientific Community überprüft werden können. Es wäre daher für mich nicht nachvollziehbar, wenn diese anonymisierten Datensätze nicht der Scientific Community und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden würden, zumal hieraus - für den Staat kostenfrei - ggfs. weitere Erkenntnisse aus den bereits bestehenden Rohdaten gewonnen werden könnten. Die Weitergabe der Rohdaten entspräche somit der Intention des zugrundeliegenden Gesetzes. “

Ich hoffe, du hast deinen Widerspruch auch per Fax oder Brief eingelegt.

Meine rechtliche Argumentation finde ich gegenüber dem BfDI nicht wieder. Diese ist lediglich im Widerspruch enthalten.

Ich glaube mit einer Argumentation anhand des SGB Vs wirst du nicht weiter kommen. Der Begriff der “wissenschaftlichen Begleiterhebung” wird dich garantiert nicht umfassen.

Die einzige gerichtlich tragbare Argumentation, die ich sehe, ist der Weg darüber, dass die Ablehnung aufgrund § 1 IFG nicht rechtens ist. Dann stellt sich aber immer noch die Frage, ob § 31 SGB V eine besondere Geheimhaltungsvorschrift darstellt.

Du solltest dich aber mental darauf einstellen, dass du ohne Klage ohnehin nicht an die Daten kommen wirst. Ich kann mir beim Besten Willen nicht vorstellen, dass die Behörde die Argumentation fallen lassen wird.

Offen gesagt bisher nur per E-Mail.

Ich ging davon aus, dass es ausreicht, dass diese Argumentation im Widerspruch steht, da ich ja in meinem Schreiben an den BfDI auf die bisherige Korrespondenz verweise. Ich kann das aber gerne auch in meiner Antwort an den BfDI einfügen.

Selbst wenn die Behörde bei Ihrer Einschätzung bleiben sollte, bin ich umso mehr gespannt, wie der BfDI sich hierzu positionieren wird. Danke auf jeden Fall für Deine Hinweise!

Unser Rechtssystem kennt keinen Widerspruch per E-Mail.
Leider ist damit die Rechtsmittelfrist bereits vorbei, d. h. du hast nie einen Widerspruch eingelegt.

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Jo, dann ist der Drops in der Tat leider gelutscht :frowning:

Das kann noch dummer laufen. Die Behörde kann es als Widerspruch auslegen und bescheiden. Der Widerspruch ist jedoch bereits wegen der falschen Form abzulehnen. “Macht 30 €, Vielen Dank”

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Die abschließende Antwort des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit liegt nun auch vor, er könne keine Verletzung des IFG erkennen.

Eine Klage beabsichtige ich hiergegen nicht. Sollte jedoch jemand eine Klage in der Sache inklusive Rechtsanwalt finanzieren wollen, bin ich offen dafür. Ich gehe jedoch davon aus dass das nicht der Fall ist und die Sache somit abgeschlossen ist.

Danke an alle Helfer*innen!

Ich würde noch empfehlen die Stellungnahme der Behörde vom BfDI anzufragen. Es ist ein Unding, dass man diese nicht ohnehin automatisch erhält. Das kann anderen (und dir?) bei künftigen Anfragen helfen.

Gute Idee, habe ich gerade angefragt.

Die Stellungnahme der Behörde wurde mir zugesandt und ist nun öffentlich nachvollziehbar.

In der Rechtsbehelfsbelehrung vom 21. Juli wird das Schriftformerfordernis nicht erwähnt. Damit dürfte sich doch die Widerspruchsfrist auf ein Jahr verlängern, oder nicht?

Woher nimmst du die Pflicht dies zu erwähnen?

In der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist festgelegt, wie eine ordnungsgemäße Belehrung auszusehen hat (§ 58 Abs. 1 VwGO):

  • einzuhaltende Formvorschriften

Wichtigste Auswirkung einer fehlenden oder fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Verwaltungsrecht ist der Wegfall der Widerspruchs-/Klagefrist. Allgemein beträgt diese einen Monat ab Zustellung/Bekanntmachung des Bescheids. Da aber die fehlende/fehlerhafte Belehrung die Verfolgung eigenen Rechts erschwert, darf in einem solchen Fall keine Frist gelten. Ab einem gewissen Zeitraum werden Widersprüche oder Klagen zumindest jedoch als verwirkt angesehen. Das ist jedoch erst mindestens nach einem Jahr der Fall.

Nun, der vom dir zitierte § beinhaltet aber nicht die Verpflichtung die Formvorschriften zu benennen.
Siehe auch in die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Februar 1976, Az. IV C 74.74, Rn. 22).