HDSIG kommunales Ordnungsamt Ordnungswidrigkeiten

Eine aktuell laufende Anfrage von meiner Seite scheitert aktuell leider an den Löchern des HDSIG. Es geht dabei um die Daten zu Ordnungswidrigkeiten, die die die Radinfrastruktur betreffen, in der Stadt Kassel. Die Stadt selbst hat eine Informationsfreiheitssatzung, so dass das HDSIG eingeschränkt auch auf kommunale Angelegenheiten anwendbar ist.

Das Ordnungsamt führt dabei folgende Argumentation

nach § 81 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 40 Abs. 2 HDSIG besteht neben der Aussage meiner Email vom 15. Oktober 2021 gegenüber Ordnungsämtern und den Aufsichtsbehörden zudem kein Anspruch auf Informationszugang, soweit Ordnungswidrigkeitenverfahren betroffen sind.

Hat hier jemand Erfahrungen und mehr juristische Fachkompetenz bzgl. des HDSIG, wie hier die Anwendungsbereiche gesteckt sind?

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Sehr spannend welche Fragestellungen aufgeworfen werden, weil man handwerklich absichtlich schlechte IFGs erstellt.

Ich kann leider nicht als Jurist helfen. Eine Einschätzung kann ich aber gerne dennoch abgeben.

Man scheint zweigleisig abzulehnen:

  1. Einmal (anfangs), weil die Information im Rahmen von Tätigkeiten angefallen ist, die ausgeführt werden, weil Sie als Auftragsangelegenheit durchgeführt werden.

  2. Dann (letzte Nachricht), zusätzlich und unabhängig davon, weil man sich als “Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörde” sieht und in “justizieller Tätigkeit” arbeitet. Das sagen sie so nicht. Aber anders kann man die Ablehnung und den Bezug zu § 81 Abs. 1 Nr. 4 nicht deuten.

Ich halte beides für mal wieder sehr kreative Ablehnungen. In dieser Art habe ich die so noch nicht gesehen, aber beim IFG werden Beamten in jedem Bundesland unerwartet kreativ.

Zu 1.:

Für eine Einschränkung auf Informationen, die innerhalb von Aufgaben der Selbstverwaltung anfallen, sehe ich keinerlei Rechtsgrundlage.

Zunächst sollte man festhalten, dass man hier nicht darauf abstellt, dass die Informationen einer anderen Behörde gehören. Diesen Quatsch kennt man aus anderen IFGs (z.B. Bund), wo eine Behörde die “Verfügungsgewalt” hat und nur diese dann - angeblich - zur Herausgabe ermächtigt wäre. Diese Verfügungsgewalt hat aber immer zumindest der Urheber der Information - in dem Fall wäre das also die Stadt selber.

Hier ist es aber noch einmal deutlich verdrehter: Man meint, dass Informationen, die der Stadt gehören und wo die Stadt auch Urheber ist, nicht vom HDSIG umfasst sind, weil diese Informationen bei der Ausübung von bestimmten Aufgaben (Auftragsaufgaben) angefallen sind. Dies sind Aufgaben, wo das Land die Ausübung an die Stadt delegiert hat.

Eine derartige Einschränkung der Informationen, die vom HDSIG umfasst sind, findet sich nicht im Gesetz wieder. Umfasst sind amtliche Informationen. Diese sind definiert als “alle amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung.”.

Somit sind auch Informationen umfasst, die im Rahmen von Auftragsaufgaben anfallen. Einzig relevant ist, dass die Informationen vorhanden sind und nicht rein privater Natur sind.

Ich halte diese Rechtsansicht (in meiner Laienmeinung) für völlig unhaltbar.

Zu 2.:

Keine gute IFG-Ablehnung ohne mindestens zwei Ablehnungsgründe. Das verwässert und erschwert das Kontern.

Man stellt darauf ab, dass das Ordnungsamt eine “Strafverfolgungsbehörde” sei.

Hier kann man zweigleisig kontern:

a) Zunächst stellt das Gesetz auf Strafverfolgungsbehörden ab. Die Stadt Kassel ist jedoch keine Strafverfolgungsbehörde. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut. Man könnte im Rahmen einer Rechtsanalogie versuchen den Anwendungsbereich zu erweitern - das ist aber schwierig.

Die Gesetzesbegründung spricht von “Organen der Rechtspflege”.

Satz 1 Nr. 3 nimmt die Gerichte und weitere Organe der Rechtspflege sowie Disziplinarbehörden vom Anwendungsbereich des Auskunftsrechts aus soweit sie als Organe der Rechtspflege oder aufgrund besonderer Rechtsvorschriften in richterlicher oder sachlicher Unabhängigkeit tätig sind. Denn in diesen Fällen werden personenbezogene Daten regelmäßig einer Auskunftserteilung im Wege stehen, sodass auch in diesem Fall typisierend von einem Überwiegen schutzwürdiger Interessen am Ausschluss der Übermittlung auszugehen ist.

b) Selbst bei Annahme der kruden Rechtstheorie bzw. einer Rechtsanalogie, sind Strafverfolgungsbehörden teilweise informationspflichtig. Da hier Statistiken angefragt sind, handelt es sich zweifelslos um “öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben”, die vom HDSIG umfasst wären. Statistiken haben nichts mit der zu schützenden richterlichen Unabhängigkeit zu tun.

Anfragen zu einzelnen OWIs sind nicht umfasst (z.B. zur Anzeige). Dies ergibt sich aber aus § 80 Abs. 2 HDSIG und nicht aus § 81 HDSIG. Die StPO gilt vorrangig.

Fazit
Du könntest den Landesbeauftragten anhauen. Der ist laut FragDenStaat aber ziemlich unbrauchbar und behördenfreundlich. Eventuell kann der aber (mit guter Begründung) hier Druck machen.

Vielleicht hat @arne.semsrott aber auch Interesse und hilft dir, da Hessen noch ein derartig unbespieltes Rechtsfeld ist.

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Ich hatte mal ein ähnliches Problem, allerdings in Baden-Württemberg. Es ging um eine statistische Auskunft zur Erfassung und Bearbeitung von Anzeigen zu einem bestimmten Bereich der StVO durch das Ordnungsamt. Die Auskünfte wurden zunächst mit der Begründung verweigert, dass die angeschriebene Behörde als Strafverfolgungsbehörde nicht unter das LIFG fallen würde. Hierzu wurde seehr alte Rechtssprechung, die z. T. lange vor der Einführung des LIFG lag, zitiert. (Zudem wurde die Herausgabe verweigert, weil auf der Grundlage des LIFG ein Anspruch auf Erstellung der von mir begehrten Statistik nicht hergeleitet werden könne und ist auch sonst nicht ersichtlich sei.)

Zu meinem Glück gab es bereits ein Urteil des VGH Baden-Württemberg, in dem klargestellt wurde: “Ein Tätigwerden der Staatsanwaltschaft unabhängig von einem bestimmten Ermittlungsverfahren, jedoch mit Bezug zu - nicht identifizierbaren - Ermittlungsverfahren, kann im materiellen Sinne Verwaltungshandeln darstellen. Das gilt etwa für die fallunabhängige Angabe zur Zahl von Anklageerhebungen in bestimmten Kriminalitätsbereichen für einen bestimmten Zeitraum, soweit diese Information in der Sache der Vorlage einer Statistik gleichkommt. Auf eine derartige öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Staatsanwaltschaft ist das LIFG anwendbar.” VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.08.2019 - 10 S 303/19.

Nach einem freundlichen Hinweis auf das Urteil habe ich meine Informationen dann bekommen, da im gleichen Urteil auch gleich klargestellt wurde, dass das Zusammentragen von Informationen Problem der Verwaltung ist, wenn die Daten dem Grunde nach vorliegen.

Vielleicht kann man sich ja die eine oder andere Argumentation aus dem Urteil auch in Hessen bei einer Begründung zu eigen machen?

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Danke für die ausführliche Antwort.

Zu 1.
Diesen Gedanken hatte ich auch. Ich habe nur leider keine Referenz im Umgang mit kommunalen Informationsfreiheitssatzungen. Daher fiel es mir schwer die Weite des Anwendungsbereiches dieser Satzung ein zu schätzen. Die genaue Satzung im Wortlaut ist:

Der Vierte Teil des Hessischen Datenschutz und Informationsfreiheitsgesetzes vom 3. Mai 2018 ist für den Zugang zu amtlichen Informationen aus dem eigenen Wirkungskreis der Stadt Kassel anwendbar.

Spannend wird hier m.E. die Auslegung vom “eigenen Wirkungskreis”. Auch hier fehlt mir leider die Erfahrung in der Auslegung von “Wirkungskreis”. Meiner Laienhaften Ansicht nach sind hiervon unmittelbare Unterorganisationen der Stadtverwaltung ebenso erfasst.

Zu 2.
Den Gedanken, dass hier die Auskunft mit der Begründung, dass es sich um eine Polizeibehörde handelt, verweigert wird hatte ich auch schon und daher bereits am Anfang der Korrespondenz zum Ausdruck gebracht, dass m.E. keine Ablehnungsgründe gem. §81 II HDSIG vor liegen. Dies ergab sich in meiner Rechtsaufassung aus dem vor liegenden Gesetzestext.

Im Zuge einer fort währenden Ablehnung habe ich diesen Punkt noch einmal etwas genauer recherchiert und dazu folgende Argumentation gefunden

“Der Ausschluss gilt auch für Behörden, die an sich keine Polizeibehörden sind, aber funktionell als Ordnungswidrigkeitenbehörde tätig werden.” (Roßnagel, Hessisches Datenschutz- und InformationsfreiheitsG 1. Auflage 2021, Rn. 12).

Diese Argumentation geht zurück auf den 48. Tätigkeitsbericht des HBDI, der in dem erwähnten Gesetzeskommentar zitiert wird.

“Und dieser Ausschluss gilt gerade auch für Behörden, die an sich keine Polizeibehörden sind, aber funktionell als Ordnungswidrigkeitenbehörde tätig werden (vgl. zum Ordnungswidrigkeitenverfahren auch Begründung des Gesetzentwurfs, Drucks. 19/5728, S. 136 zu § 40).” (48. Tätigkeitsbericht, S. 314)

Interessant wird hier die Auslegung von “soweit sie im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit handeln” in §81 Abs. 1 Nr. 4. Meines Erachtens ergibt sich hieraus keine grundsätzliche Ablehnung von Ordnungsämtern, sondern viel mehr eine differenzierte Sichtweise den jeweiligen Sachverhalt betreffend. Die genauere Fassung des Begriffes “justizielle Tätigkeit” ist mir bis jetzt leider nicht kganz klar.

Fazit: Soweit ich das erkennen kann, steht der HBDI grundsätzlich hinter der von der Behörde geführten Argumentation.

Sehr spannendes Urteil! Das würde ich so sehen. Die Argumentation sehe ich bei dem “Punkt 2” (b) aus meinem Text. Punkt 1 muss man leider mit weiteren Argumenten bekämpfen und ist mir in dieser Form auch noch nicht untergekommen. Mit dieser Argumentation könnten sich Behörden in jedem dualistischen Kommunalsystem herausreden. Man muss es auch mal so sehen: Wenn die Argumentation so korrekt wäre, dann wären alle derartigen Informationen in einer rechtliche No-Man-Zone.

Weitergedacht will uns die Stadt Kassel nämlich sagen: Die Informationen gehören dem Land und nicht der Stadt, da die Stadt nur Aufgaben des Landes “in Weisung” hier übernimmt. Nun aber das Problem: Das Land hat die Infos gar nicht bei sich vorhanden - nur die Stadt. Die Stadt darf angeblich nicht, das Land kann faktisch nicht.

Die Lösung des Problems liegt schlicht im Verwerfen dieser hochkreativen Theorie.

Danke für die Satzung - die hätte ich mal heraussuchen sollen.

Die Satzung spricht tatsächlich vom “eigenen Wirkungskreis”. Das macht die Sache sicher komplizierter - eventuell muss ich daher einige Ausführungen zu “Punkt 1” revidieren.

Kernfrage wäre dann aktuell tatsächlich, ob das Erstellen von solchen Statistiken nicht doch im “eigenen Wirkungskreis” liegt. Das Verfolgen von OWIs liegt ja sicher nicht darin (in Hessen!).

Ich frage mich: Wieso kam dieser Passus dort hinein? Ist er notwendig oder kann er (z.B. über die Fraktionen im Rat) nicht einfach gestrichen werden? Das Paradox habe ich oben ja beschrieben: Diese Informationen hat das Land selbst ja gar nicht und könnte dann als eigentliche zuständige Ordnungsbehörde diese nicht herausgeben. Das kann so ja nicht bleiben. Möglicherweise bietet sich hier ein Bürgerantrag an in dem du begründet die Änderung verlangst?

Der Kommentar erläutert das sicher genauer. Den habe ich aber auch nicht. Das Erstellen von Statistiken kann da aber m.E. nicht zugezählt werden. Das ist eine klare Verwaltungsaufgabe. Selbst die monatlichen Justizstatistiken der Gerichte selbst sind Verwaltungsaufgaben.

Woher nimmst du diese Erkenntnis?

Aus dem Tätigkeitsbericht

“Gegenüber Behörden, die für Geldbußen zuständig sind, besteht insoweit
kein Anspruch auf Informationszugang.” (S. 313)

bzw.

“Und dieser Ausschluss gilt gerade auch für Behörden, die an sich keine Polizeibehörden sind, aber funktionell als Ordnungswidrigkeitenbehörde tätig werden” (S. 314)

Wenn du nicht sowieso klagen willst, dann würde ich vorschlagen, dass du es zumindest versuchst den Beauftragten zu beteiligen.

Ich hatte ja in 2 b) was dazu geschrieben: Selbst wenn man das annimmt, dann sollte die Argumentation erfolgreich sein, dass es sich um klare Verwaltungsaufgaben handelt bei der Statistikerstellung.

Das größere Argumentationsproblem sehe ich jetzt eher beim “Wirkungskreis”. Da würde mich aber mal interessieren, ob davon auch das Erstellen von Statistiken umfasst sein soll (Frage 1) und falls nicht, ob der Passus in der Satzung eine rechtliche Notwendigkeit hat oder er nicht einfach weg kann (Frage 2).

Die Satzung muss 2023 eh erneuert werden. Vielleicht kannst du bis dahin ja dann Lobbyarbeit leisten bei den Parteien im Rat.

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Ob eine Klage hier erfolgreich ist, kann ich leider nicht bewerten. Ob ich diesen Weg wähle wird dann am Ende von den mir zur Verfügung stehenden Ressourcen ab hängen.
Auf den HBDI gehe ich aber auf jeden Fall zu, muss dafür aber noch eine schlüssige Argumentation ausarbeiten.

An deiner Stelle würde ich auch für eine Änderung der Satzung kämpfen.

https://www.bad-soden.de/fuer-die-buerger/amtliche-bekanntmachungen/2019/informationsfreiheitssatzung/

Hier keine Einschränkung in Bad Soden.

Offenbar enthält die Mustersatzung der “dieDatenschützer Rhein Main” diesen Wirkungskreis-Quatsch. Ob es daher kommt? Und ob die “Datenschützer” wissen, welche Lücken sie dadurch geschafft haben?

Ein anderer Gedanke, der mir noch kam ist diese Information über das UIG an zu fragen, da es EU-Recht ist. Nur bin ich mir unsicher, ob die angefragten Informationen unter dieses Gesetz fallen.

Halte ich für schwierig.