Ich hatte aufgrund der Intransparenz in der Kommunikation zu bestimmten Tickets (Issues) auf GitHub zur Corona-Warn-App CWA in der Android-Version eine Informationsfreiheitsanfrage gestellt:
Hintergrund sind vor allem die Veröffentlichung der App dem alternativen Android-App-Store mit nur quelloffnen Apps F-Droid und reproduzierbare Builds, sowie weitere technische Probleme beim Betrieb, da die App nicht 100% open-source ist, sondern proprietäre Komponenten von Google enthält.
Argumentation Behörde
Nach Überschreitung der Anfragefrist und erst nach Einschalten der Vermittlung durch den BfDI antwortete die Behörde:
Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG besteht nicht.
Dem Robert Koch-Institut (RKI) liegen keine amtlichen Informationen zu den angefragten Tickets vor, da diese nicht vom RKI selbst, sondern von SAP verwaltet werden.
Mit Bescheid vom 25.03.2021 antwortet sie dann schließlich das gleiche in etwas ausführlich beschriebener Form. So bestünde kein Informationszugangsrecht, da…
nach § 1 Abs. 1 S. 3 IFG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 IFG, da das RKI sich SAP insoweit nicht zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Dies folgt bereits daraus, dass der Betrieb eines JIRA-Ticketsystems nicht zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des RKI zählt.
Der Betrieb des Ticketsystems ist meiner Ansicht nach unabhängig von der Aufgabe. Das Ticketsystem ist ja Mittel zum Zweck, oder? Wie eine Information gespeichert ist, ist ja unabhängig von deren Inhalt.
Die Frage wäre ja eher, ob die Information in den Tickets bzw. die dabei betroffenen Vorgänge (der Erstellung einer Anwendung zur Kontaktnachverfolgung im Sinne der CWA), „zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des RKI” zählen.
Meine Argumentation
Ich habe ggü. der Behörde bereits argumentiert, dass die Informationen aufgrund von § 1 Abs. 1 S. 3 IFG veröffentlicht werden müssen. Denn dort heißt es:
Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
In $ 7 IFG Abs. 1 S. 2 beschreibt dann, an wen ich den Antrag richten muss:
Im Fall des § 1 Abs. 1 Satz 3 ist der Antrag an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
In dem Fall denke ich doch ist das RKI richtig. Alternativ das BMG aber auch dieses hat nichtförmlich geantwortet, dass die Informationen dem BMG nicht vorliegen würde, da es auf das Jira-System keinen Zugriff hat.
Immerhin hätte das BMG oder das RKI die App ja auch selbst programmieren können und so liegt meiner Meinung hier auch eine „Flucht ins Privatrecht“ vor, vor der dieser Paragraoh schützen soll.
Hilfreich sind vlt. auch die zuvor bereits angefragten Vertragsdokumente bzgl. SAP/Telekom und der Corona-Warn-App:
Auftraggeber ist nach diesen die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das BMG, wobei es Aufgaben an das RKI übertragen kann (siehe Absatz 6.5 auf S. 10 hier).
Nach den Nutzungsbedingungen der App ist jedoch das RKI (Nordufer 20, 13353 Berlin) Herausgeber der App.
Argumentationsdetails
§1 Abs. 1 S. 3 IFG gilt für „öffentlich-rechtlichen Aufgaben”, welche in diesem Fall SAP mit der Corona-Warn-App bedienen müssten.
Nach bekannter Kommentierung vom DJV ist zunächst einmal eine öffentliche Aufgabe zu sehen:
Als Grundbegriff ist von dem der öffentlichen Aufgabe auszugehen. Öffentliche Aufgabe ist
eine solche, an deren Erfüllung die Allgemeinheit (die Öffentlichkeit) ein Interesse hat.
(S. 29; Rn. 23)
Ich glaube das ist ganz klar zu sehen.
Schwieriger wird es mit dem rechtlich:
Die Beifügung „rechtlich“ zum Adjektiv „öffentlich“ ist so zu verstehen, dass die Auf-
gabenerfüllung öffentlich-rechtlich geprägt ist. Oder anders ausgedrückt: Die Aufgabe ist im
öffentlichen Recht verankert.
(ibid; Rn. 24)
Nun gibt es ja leider eben kein CWA-Gesetz und mir ist somit nicht klar, ob es ist auch keine Rechtsgrundlage zu erwarten.
Allerdings hat das RKI die App ja auch nicht aus Spaß oder “freiwillig” (ohne externen Einflüsse) in Auftrag gegeben. Es steht ja schon ein öffentlicher Auftrag dahinter, der auch vom BMG geäußert wurde.
Und soweit ich weiß waren bisher auch andere „freiwillig“ von Behörden gestarteten Aktionen (die keiner bestimmter Gesesetzesgrundlage zuordenbar waren), vom IFG erfasst, bspw. Marketingaktivitäten oder ähnliches.
Evt. kann man auch mit Art. 2 Abs. 2 GG (körperlicher Unversehrtheit) oder dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) argumentieren. Und es gibt natürlich eine Vielzahl von anderen „Corona-Gesetzen“.
Fragen
Seht ihr da Chancen?
Ist die CWA-Erstellung eine öffentlich-rechtliche Aufgabe eurer Meinung nach?